Norderney

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Ostfriesischer Kurier (Serie erschien vom 17.01. - 11.04.2015)
Georg Kampfer: Akte Strobach - Geistlicher wird mit einem Strick um den Hals gefunden

Auf Norderney wartete man indes auf die Anordnungen aus Aurich. Der Tag verging und die Leiche des Pastors lag weiterhin auf dem Bett - immer noch mit dem Strick um den Hals.

Donnerstag. 8. Februar

Um halb 9 Uhr erschien Bacmeister auf Norderney und überreichte dem Amtmann den fürstlichen Beschluss vom 6. Februar. Mit großer Genugtuung konnte der Amtmann den zusammengerufenen Norderneyern vorlesen, dass die Insulaner allen seinen Anordnungen uneingeschränkt und unverzüglich Folge zu leisten hätten und es ihre Pflicht sei, ihren Pastor mit allen Ehren und den üblichen Zeremonien zu bestatten. Da es sich um einen Befehl ihres Fürsten handelte, waren die Norderneyer nun bereit, Gehorsam zu leisten. Gemeinsam mit ihrem Vogt und Amtmann Hess begaben sie sich zur Pastorei, wo der Amtmann nun wieder einmal die Entkleidung der Leiche anordnete. Die Insulaner sträubten sich, indem sie vorgaben, sie würden das erst tun, wenn der Amtmann selbst "die erste Hand an den Cörper würde geleget haben". Der Amtmann jedoch erklärte, dass er das aufgrund einer fürstlichen Entscheidung nicht zu tun habe, und befahl nun seinerseits dem Vogt, die Leiche als Erster anzufassen und "…so hat derselbe, nach einigen dawider gemachten capricieusen Einwürffen sich endlich dazu resolvieret (22)."

Die Leiche wurde so dann von allen Insulanern berührt und entkleidet und um halb 11 Uhr konnte Dr. Bacmeister mithilfe des Chirurgen Siemens und in Gegenwart des Notars Schmid sowie des Vogtes die Untersuchung beginnen.

Drei Tage später berichtete er seinem Fürsten: "Bey der Eußerlichen Besichtigung war das Gesicht gantz natürlich anzusehen, ohne daran das geringste Blaue wahrzunehmen, die Zunge war etwas zwischen denen Zähnen beknippen, aber auch nicht blau. Die Dicke des Stricks correspondierte accurat zu dem Einschnitt des Halses, den er gemacht. (…) Wie ich nun hier keine äußerliche Gewaltthätigkeit wahrnehmen konnte, so wurde dadurch erwogen, die cavitates (23) der Brust und des Leibes zu öffnen, (…) Eußerlich nun sahe die Brust Natürlich aus, bey der Eröffnung aber wiesen sich die beyden lobi pulmonum (24) gantz braun-schwartz voll stagniertem Geblüth, das Hertz war gantz frisch (…) Der Unterleib war etwas aufgetrieben und gantz grün (…) Übrigens waren alle partes nobiliores (25) im Leib in vollkommenem guten Stande. Von dem Unterleib biß an denen Waden war er gantz braun roth, welches von dem darin stocktem Geblüth gekommen."

Außer dem Strick wies die Leiche also keinerlei Zeichen einer Gewalttat auf und wurde nunmehr zur Bestattung freigegeben. Die Norderneyer sahen sich in ihrer Auffassung von einem Selbstmord bestätigt und standen nun äußerst widerwillig vor der Aufgabe, in ihrer Kirche vor dem Altar einenSelbstmörderzubestatten. Doch sie hatten zu gehorchen. Schließlich hatten sie sich ja bereit erklärt, den Befehlen des Fürsten zu folgen. Aber noch war es nicht so weit…

(22) entschlossen
(23) Leibeshöhlen
(24) Lungenflügel
(25) wichtigste Organe