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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Fährschiff blieb im Packeis stecken

In der Geschichte des über hundertjährigen Norderneyer Rettungswesens zur See gibt es manche Begebenheit, die es wert ist, von Zeit zu Zeit in die Erinnerung zurückgerufen zu werden. Eine Rettungsaktion, die an Dramatik zu damaliger Zeit nicht zu überbieten war, vollzog sich vor achtzig Jahren an den Tagen des 30. und 31. Dezember 1890 im Fahrwasser Norderney - Norddeich.

Der Winter war damals schon früh eingezogen und hatte das Wattenmeer mit einer Eisdecke blockiert. Dennoch wagte Kapitän Saathoff am Morgen des 29. Dezember 1890 mit seinem Segel - Fährschiff "Catharina Elisabeth" eine Fahrt von Norderney nach Norddeich. An Bord befanden sich außer den drei Besatzungsmitgliedern dreizehn Passagiere. Nach mehreren Stunden Fahrt konnte das Fährschiff im Busetief die Packeismassen nicht mehr bewältigen und blieb eingeklemmt liegen.

Von der Insel aus hatte man diesen Vorgang beobachtet; die Besatzung des Rettungsbootes hielt auch während der folgenden Nacht am Weststrand Wache. Als es am Morgen des 30. Dezember hell geworden war, zeigte die "Catharina Elisabeth", umklammert von hohen übereinandergeschobenen Eisschollen, die Notflagge. Vormann Johann Friedrich Raß, der Großvater des jetzigen Rettungsbootkapitäns, ließ sofort das Rettungsboot "Barmen", mit 9 Ruderern bemannt, zu Wasser bringen. Unter unmenschlichen Anstrengungen bahnte sich das kleine Boot einen Weg durch das Packeis. Aber alle Mühe war umsonst, auch die "Barmen" blieb, etwa tausend Meter von der "Catharina Elisabeth" entfernt, im Eis stecken und setzte ebenfalls die Notflagge.

Auf der "Catharina Elisabeth" spielten sich dramatische Szenen ab, zumal sich unter den Passagieren mehrere Frauen befanden, die verzweifelt um Hilfe beteten. Kapitän Saathoff hatte Mühe, einige Fahrgäste davon abzuhalten, über das zum Teil noch in Bewegung befindliche Eis zu Fuß zum Festland zu wandern. Die Passagiere und die Besatzung konnten sich immerhin vor der grimmigen Kälte schützen, indem sie sich in der Kabine aufhielten, die aber am zweiten Tage auch nicht mehr beheizt werden konnte, da das Heizmaterial verbraucht war.

Vormann Raß und seine tapfere Besatzung waren dagegen in dem offenen Boot dem eisigen Ostwind mit Temperaturen bis zu zehn Grad minus ausgesetzt. Der Vormann ließ nun zwar das Segel über das Boot spannen, doch war dieser Schutz unzureichend; die Besatzung versuchte durch körperliche Bewegung die Glieder vor dem Erfrieren zu schützen. Johann Friedrich Raß berichtete später: "Das Eis kam von allen Seiten auf uns zu, innerhalb kurzer Zeit waren wir völlig eingeschlossen, und wir hatten Mühe, das Boot davor zu schützen, daß es nicht vom Eis überschüttet wurde."

Auf der Insel war man inzwischen nicht untätig geblieben. Es wurde zunächst das Ruderrettungsboot "Upstalsboom" der Station Ostland (der Schuppen befand sich früher im Dünengelände nördlich vom Leuchtturm) herangeholt. Erst am Spätnachmittag traf es am Weststrand ein, und da es früh dunkelte, wurde es zunächst nicht zu Wasser gebracht.

Außerdem hatten einige mutige Männer, und zwar Kapitän Pieper, die Seefischer Eduard Hönning, Jan Hönning, Eberhard Bents und Jakob Remmers, mit einem Strandrettungsboot der Seebadeanstalt versucht, zumindest bis zur "Barmen" vorzudringen. Sie mußten aber unverrichteter Dinge wieder umkehren, die Eisbarriere war für ein so kleines Boot unüberwindlich.

Ebenfalls gegen Mittag waren die Freiwillige Feuerwehr und die männliche Inselbevölkerung aufgerufen worden, den im Hafen liegenden Dampfer "Stadt Norden", der trotz seiner Maschinenkraft die Fahrten eingestellt hatte, vom Eis loszukappen, was auch nach zweistündiger Arbeit gelang. Kapitän Schoon konnte dann den Dampfer nach vielstündiger Fahrt unter ständigem Vor- und Rückwärtsgang bis zum Rettungsboot "Barmen" durchbringen.

Das Boot wurde zunächst in Schlepp genommen, bis freies Wasser vorhanden war, und es erreichte so glücklich den Strand. Zunächst waren diese zehn Mann aus "des Eises Not" gerettet. Vormann Raß erklärte: "Wir hätten die Nacht über nicht mehr aushalten können; zudem bestand die Gefahr, daß wir mit dem Ebbstrom und den Eisschollen in die offene See vertrieben."

Zum Fährschiff "Catharina Elisabeth" vorzudringen, gelang dem Dampfer "Stadt Norden" nicht. Da die Dunkelheit angebrochen war, kehrte er in den Hafen zurück.

Badeinspektor Hanebuth und Gemeindevorsteher Berg wandten sich dann telegraphisch an die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger in Bremen mit dem Ersuchen um Entsendung eines Dampfers mit starker Maschinenkraft. Diesem Hilferuf wurde nach Verhandlungen mit dem Norddeutschen Lloyd auch entsprochen. In der Frühe des 31. Dezember ging der Dampfer "Vorwärts" unter der Führung zweier Kapitäne in See, doch war mit seinem Eintreffen bei Norderney erst in den Mittagsstunden zu rechnen. Man war aber auf der Insel auch weiter bemüht, den Leiden der Schiffbrüchigen auf der "Catharina Elisabeth" ein Ende zu bereiten.

Frühmorgens wurde - wiederum in zweistündiger Arbeit - der Dampfer ,Stadt Norden" erneut vom Eis befreit. Auf das Schiff wurden für alle Fälle Lebensmittel und Wasser gebracht, außerdem lange Leitern und viele Bretter, die mehrere Handwerksbetriebe bereitwillig zur Verfügung stellten. Nach mehrstündiger schwieriger Fahrt, wobei der Dampfer große Eisschollen zu durchbrechen hatte, kam man gegen halbzwölf Uhr bis auf vierhundert Meter an das Fährschiff heran. Nun wurden die Leitern und Bretter über das Eis gelegt und stückweise weitertransportiert. Die Männer, die diese Arbeit verrichteten, hatten sich Leinen um den Leib gebunden, damit sie bei eventuellem Einbrechen wieder auf das Eis gezogen werden konnten.

Unter Anleitung des Bestmanns Bogena der "Catharina Elisabeth" wurde schließlich die Verbindung zwischen den beiden Schiffen hergestellt. Einzeln und in Abständen gingen die Fährschiffspassagiere und die Besatzung an Bord der "Stadt Norden". Man hatte jedoch vergessen, die Notflagge des Fährschiffes einzuziehen; deshalb mußte ein Besatzungsmitglied noch einmal den Weg hin und zurück machen. Gegen zwei Uhr nachmittags war man glücklich im Norderneyer Hafen angelangt.

Um die Mittagszeit kam auch der Lloyddampfer "Vorwärts" durch das Dovetief auf. Das Rettungsboot "Upstalsboom" unter Vormann Reiners fuhr ihm eine Strecke entgegen und brachte den Lotsen Johann Knigge an Bord. Nun griff der Lloyddampfer "Vorwärts" in das Rettungswerk ein, indem er sich zunächst als Eisbrecher betätigte und der "Stadt Norden" einen Weg durch das Packeis bahnte.

Die Besatzung des Fährschiffes stieg dann auf die "Vorwärts" über, und der Rettungsdampfer arbeitete sich an die "Catharina Elisabeth" heran, nahm sie auf den Haken und bugsierte sie am Spätnachmittag glücklich in den Inselhafen ein. Unmittelbar darauf nahm die "Vorwärts" wieder Kurs auf Bremerhaven, um noch vor Eintritt der Nacht das Dovetief zu passieren. Wie jedoch später bekannt wurde, geriet der Dampfer in der Nähe des Riffs noch mehrere Stunden fest und traf erst am Nachmittag des 1. Januar wieder in Bremerhaven ein.

Insgesamt sechsundzwanzig Menschen waren durch den freiwilligen Einsatz aus See- und Eisnot gerettet und zudem die "Catharina Elisabeth" und die "Barmen" vor der Zerstörung durch die Eismassen bewahrt worden. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger bedachte die Kapitäne und Besatzungen der beiden Dampfer "Vorwärts" und "Stadt Norden" sowie die Rettungsbootbesatzungen und weitere Helfer bei dem Rettungswerk in Anerkennung ihres Einsatzes mit Prämien.


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