--> https://www.norderney-chronik.de/themen/insel-stadt/presse/nbz/wbk/1953/seite_003.html

NorderneySeiten-Ende

53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

Das Jahr 1398Das Jahr 1797Das Jahr 1849Das Jahr 1862Das Jahr 1873Das Jahr 1948Das aktuelle JahrHilfe/Info

Insel/Stadt | Bilder/Prospekte | Daten/Fakten | Kunst/Kultur

Chronik der Insel | Betriebe und Einrichtungen | Insel und Küste | Insel und Stadt Historisch | Küstenschutz | Presse | Vereine

Norderneyer Badezeitung | Norderney Kurier

Seite Presse | Norderneyer Badezeitung | Sonderausgaben | Badekuriere: Frühjahrsausgaben | Sonderausgaben | Weihnachtsausgaben | 1950-1959 | 1960-1969 | 1970-1979 | 1980-1989 | 1990-1999 | 2000-2003

Seite zurückÜbersichtnächste SeiteFenster schliessen
Weihnachtsausgabe Badekurier 1953
 
Seite 3

Tage des Glaubens und der frischen Zuversicht

Norderneyer Gedanken zur Weihnachtszeit

Wenn die Dämmerung über Land, See und Wattenmeer sinkt, dann läuten auch auf Norderney die Inselglocken das schönste Fest des Jahres ein. Der Abend vor Weihnachten ist hier nicht anders, wie überall. Die schmalen Straßen sind zur Freude der Wintergäste nach dem Sommertrubel in besinnliche Stille verfallen, winterlich verträumt, aber deswegen nicht weniger einladend liegen Wege, Parks und Promenaden. Aua den Fenstern all der Häuser aber, die diese große Ruhe säumen, strahlt echte Festesfreude.

Hier mögen die Gedanken zum ersten Male zurückschweifen, denn nicht in allen Jahrzehnten und nicht zu allen Generationen hatte es gerade auf Norderney jenes warme Kerzenlicht gleich leicht, die harten Krusten von den verwitterten Herzen der Menschen an der Nordsee zu lösen, wenn just um die Weihnachtszeit der "Blanke Hans" wieder einmal seinen Tribut an Leben und Gut gefordert hatte. Noch heute weiß man um die schwere Heimsuchung des Jahres 1218, als ein schwerer Orkan die Nordsee tief in das Küstenland hineinpeitschte und damit die Mündung der Jade zum heutigen Jadebusen weitete. Nur wenige Wochen später brach damals ein erneuter Sturm über das Küstenland herein, und zeitgenössische Chronisten wissen von nicht weniger als 36.000 Opfern der Flut zu berichten. Der zweite Weihnachtstag des Jahres 1277 brachte, ebenso wie eine kurz darauffolgende Springflut, namenloses Leid und Elend über die Küstenbevölkerung. Sehr genau sind uns heute noch aus zuverlässigen Quellen die Schrecken der ersten Marcellus-Flut im Jahre 1219 überliefert, als das Wasser eine nie gekannte Höhe erreichte und 20.000 Tote forderte. Die ehrwürdige Utrechter Bischofschronik vermerkt aus jenen Zeiten: "Das Seewasser stieg so hoch, daß es über alle Deiche ging. Es stürmte, donnerte und blitzte und viele Beester und Menschen ertranken. Viele Dörfer an der See gingen zu Grunde in Flandern, Zeeland, Holland und auch in Friesland." Keine Flut aber hat sich im Gedächtnis der Bevölkerung stärker eingeprägt als die zweite Marcellus-Flut 1362, die "Mandränke" (Manntränke). Ein festländisches Stadtbuch vermerkte darüber, es seien "up dem Strande dreißig Kercken und Kerckspiele verdrunkende", und über die dritte Marcellus-Flut 1511 lesen wir: "Es ist ein großes Wasser gewesen, daß die Häuser vom Eis niedergeworfen sind und die Leute auf den Dächern sitzen geblieben. Einige haben sich gerettet, viele aber sind von dem Eis weggetrieben und jämmerlich ertrunken. Kleine Kinder sind mit der Wiege weggetrieben. Auch die Beester sind meist ertrunken und umgekommen. Also ist das Rüstringer Land von Gott vernichtet. Die meißten aus dem Lande ziehen ins Butjadinger Land (das Land jenseits der Jade) oder wo ein jeder Kost finden mochte." Im Januar 1634 verzeichnet die Historie den Untergang der Insel Nordstrand, die Weihnachtsflut des Jahres 1717 ließ 10.000 Menschen an der Nordseeküste ertrinken und fegte 5.000 Häuser hinweg. Die erste Beurkundung einer Weihnachtssturmflut stammt aber schon aus dem Jahre 838. Am 26. Dezember dieses Jahres, schreibt Prudentius, hatte man ein Hochwasser zu verzeichnen, das ungefähr mit den Sandwällen gleich gewesen wäre, die man in Friesland als Dünen bezeichnete. -

Seit jeher aber folgten diesen Katastrophen nicht nur Tod, Verderben und eine Welle des Erschreckens, sondern es wurzelte in den Menschen an der Nordsee fester denn je der unbändige Wille, sich dem Ansturm der Elemente zu behaupten. Demutsvoll und gläubig klingt aus jenen Zeiten aber auch der alte Seefahrerchoral bis in unsere heutigen Zeiten zu steter Mahnung:

"Einer ist's, der in der Nacht,
Einer ist's, der uns bewacht:
Christ Kyrie, du wandelst auf der See!
Christ Kyrie, ja dir gehorcht die See!"

KurhausIn diesem Geiste wurde der Gewalt des Wassers gewehrt, die zerborstenen Deiche entstanden neu und wuchsen gewaltiger denn je. Der Küstenländer behauptete sich und schuf dort, wo er einst den wütenden Elementen weichen sollte, Stätten, die nun seit rund 150 Jahren ungezählten Tausenden von Mitmenschen Erholung und Gesundung bringen. Muß das Wissen um die Größe dieses Wandels nicht gerade an der Schwelle eines neuen Jahres abermals mit festem Glauben und frischer Zuversicht erfüllen?

Ruhig brennen so jetzt überall die Kerzen auch an der Nordsee und leuchten mit ihrem sanften, blinzelnden Schein über Ferne und Meer. Nur in dieser Zeit gibt es jene Stunden der Innigkeit, der Aufgeschlossenheit für das Gute, trotz aller Betrübnis im Dunklen. Aber nicht nur dafür ist der weihnachtliche Kerzenschimmer Symbol: unter ihm werden alljährlich aufs Neue wieder alle jene Menschen angesprochen, die "guten Willens" sind. An sie ergeht die Botschaft des Friedens, um den es wahrlich schlecht bestellt wäre, wenn man die Sehnsucht nach ihm nicht immer wieder erweckte!


NBZ - Weihnachtsbadekurier 1953 Hilfe/Info Logo der Chronik © 2002-2024 H.-H. Barty Seitenanfang