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Weihnachtsausgabe Badekurier 1953
 
Seite 13

Ein Feuilletonist macht Vorschläge

Brief an die Kurverwaltung

Geschätzte Herren! Während meines Aufenthaltes in K. hat man mir erzählt, daß alles, was Rang und Namen hat, dieses Jahr unter einem ihrer strohbedeckten Pensionsdächern schlief. So darf ich wohl mit einigem Recht vermuten, daß ihre Kassen nicht leer geblieben sind. Darum nehme ich an, daß Sie geringe Mittel nicht scheuen werden, wenn sie Ihren prominenten Gästen noch einiges mehr bieten, als es andere Bäder tun.

Mir ist nämlich aufgefallen, daß sich die echte menschliche Lebensfreude am Tage sehr langsam entwickelt. Gewöhnlich beginnen Ihre Gäste erst am späten Abend Lieder zu singen und fröhlich zu lachen. Ja, es geht oft soweit, daß bei schönstem Sonnenschein den ganzen Vormittag am Strand kein Lächeln zu sehen ist. Dagegen können wir nichts machen, werden Sie einwenden, das ist eine Sache der Mentalität des Individuums. Das letztere mag angehen. Aber es läßt sich etwas dagegen unternehmen meine Herren.

Ich erlaube mir, Ihnen nachfolgend ein paar neuartige Berufe aufzuzählen; mit denen Sie ungelernten Arbeitslosen eine Existenz verschaffen und gleichzeitig die Lebensfreude Ihrer Kurgäste erheblich erhöhen können.

Da wäre zum Beispiel die "Guten-Morgen-Sagerin". Ich stelle mir unter dieser Person eine vielleicht 53 bis 55 Jahre alte Frau vor. Sie müßte blonde, etwas graumelierte Haare haben. Unerläßlich ist eine genaue Vorschrift für deren Frisur, die Haare müßten nämlich glattgescheitelt hinten in einem riesigen Knoten enden. Das Kleid müßte ziemlich schlicht sein. Ein einfarbiger Stoff mit kleinen Punkten wäre meines Erachtens das Gegebene. Vielleicht könnten die beiden Farben von Tag zu Tag wechseln. Am Montag würde ich also sagen, ein blaues Kleid mit weißen Punkten, am Dienstag ein weißes Kleid mit blauen, am Mittwoch ein rotes mit weißen und am Donnerstag ein weißes Kleid mit roten Punkten und so fort. Allerdings müßte darauf geachtet werden, daß die betreffende Person immer einen schmalen, weißen Lackledergürtel dazu trägt. Die Schuhe müßten ein bißchen altmodisch sein, rührend altmodisch, wenn es so etwas gibt. Diese Person müßte morgens zwei Rundgänge durch die Frühstücksstuben der Hotels und Pensionen machen. Der erste, würde ich denken, sollte um halb acht beginnen, der zweite eine Stunde später. Die Frau müßte also in die Frühstücksstuben gehen. Sie braucht die Tür nur um etwa dreißig bis vierzig Zentimeter zu öffnen. Dann bleibt sie stehen, und wenn sie sicher ist, daß alle frühstückenden Gäste sie anschauen, müßte sie zart lächeln und vernehmlich sagen: "Ich wünsche einen recht schönen guten Morgen und einen herrlichen Tag." Das wäre alles. Es ist mir nämlich aufgefallen, daß in Ihrem Ort beim "Guten Morgen sagen" kein Mensch lächelt.

WellenbadNun gehen die Menschen an den Strand. Vielleicht ist es auch Ihnen bereits aufgefallen, mit welcher Verbissenheit manche Menschen ins Wasser gehen. Fast wütend stürzen sie sich in die Wogen. Hier wäre der Beruf des "Ju-Hu-Rufers" am Platze. Als "Ju-Hu-Rufer" könnte zumindestemt während der Semesterferien ein armer Student verwendet werden. Allerdings müssen Sie darauf acht geben, daß Sie einen erwischen, der schmalbrüstig und verhungert aussieht. Ich gebe zu, das wird ein bißchen schwer fallen. Doch bei einigem Bemühen sollte ein solcher Mensch wohl gefunden werden. Er müßte allerdings verpflichtet werden, sich niemals braun brennen zu lassen. Da werden sich einige unsoziale Härten nicht vermeiden lassen. Denn es kann möglich sein, daß der Arme während seiner Arbeit von der Sonne verbrannt wird. Das ist dann sein Unglück. Er muß entlassen werden. Zur Aufgabe des "Ju-Hu-Rufers" wäre zu vermerken, daß er ständig am Strand zu sein hat. Wenn er sieht, daß irgendwo Menschen sich zögernd und zurückhaltend allmählich mit dem rauschenden Meerwasser anzufreunden versuchen, muß er schleunigst herbeistürzen und sich laut "Ju-Hu"­rufend kopfüber in die Wellen stürzen. Da fällt mir ein, daß eine runde Nickelbrille für den "Ju-Hu-Rufer" sehr kleidsam sein könnte. Natürlich muß er sich sooft und solange in die Wellen stürzen, bis er bemerkt, daß die Badenden von seiner Lust angesteckt werden und sich ebenfalls zum Untertauchen entschließen.

Ganz einfach dürfte der Posten des "Ohwieschönbraunsagers" zu besetzen sein. Aus der Berufsbezeichnung werden Sie mit Leichtigkeit die Arbeitsweise dieser Person entnehmen können, und ich kann mir langwierige Erklärungen ersparen. Allerdings muß die Person natürlich eine gewisse Ueberzeugungskraft haben. Es muß ein lohnend aussehender, dunkelbraun gefärbter Mann im Alter von 38 Jahren sein. Ich könnte mir denken, daß sich einige Ihrer Gäste für den Nachmittag zu dieser Nebenbeschäftigung bereitfinden. Als Ideal schwebt mir der junge Baron Leo von T. vor, der sowieso den ganzen Nachmittag an der Treppe sitzt, wo die meisten Menschen vorübergehen.

Selbstverständlich ist damit die Reihe der neu einzustellenden Organe Ihrer Kurverwaltung noch lange nicht vollzählig. Zum Beispiel scheint mir Ihr großangelegtes "Abessinien" nicht mehr den lockeren Reiz zu haben, den es früher einmal hatte. Ich habe Menschen getroffen, die nur deshalb Ihren Ort besuchten und die enttäuscht zurückfuhren und sicherlich nicht mehr wiederkommen werden. Es macht alles einen zu wenig frivolen Eindruck. Es müßte meines Erachtens unbedingt ein älterer Herr engagiert werden, der sich wirkungsvoll und gut sichtbar auf einer Düne niederläßt und ständig durch ein Fernrohr nach den nackten Menschen schaut. Selbstverständlich können die Linsen des Fernrohrs durch gewöhnliches Fensterglas ersetzt werden. Man soll die Arbeit nicht unnötig erschweren. Die Reihe der neueinzustellenden Personen ist damit, wie gesagt, noch lange nicht erschöpft. Aber ich wollte Ihnen ja auch nur ein paar Anregungen vermitteln. Ich bin gespannt, wie Ihr Kurort im nächsten Jahre aussieht.

In der Zwischenzeit denken Sie doch einmal darüber nach, ob Sie nicht jemanden brauchen, der in den dunklen Wintermonaten durch die großen Städte reist und abends in die Bars streicht. Dann sollte dieser Mensch ungeniert an die ausgelassenen Trinker herangehen und freundlich "einen schönen Gruß aus K." wünschen. Dabei wäre es natürlich besonders wirkungsvoll, jenen etwas salzigen Seesand in den Whisky zu schütten. Das hat allen, nach meinen Beobachtungen, am besten gefallen.


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