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Weihnachtsausgabe Badekurier 1953
 
Seite 12

So machte sie sich heimlich auf den Weg. In zwei Stunden war sie wieder zurück, so sagte sie sich. Als sie aufs Watt kam, fiel das Wasser noch ständig, denn es wurde Niedrigwasser. Das Wetter war klar, und sie kam schnell vorwärts. Nach einer halben Stunde hatte sie das Wrack der "Antje" erreicht. Sie kletterte hinauf und stieg hinab in die Kajüte. Da war nichts mehr zu holen. Was von Wert war, hatten die "Strandjer" weggebracht. Aber Antje ließ sich nicht beirren. Sie wußte, das chinesische Schmuckkästchen wurde immer in einem Geheimschrank aufbewahrt; den mußte sie finden. Sie erinnerte sich noch, daß er an der Rückwand des Raumes lag. Vorsichtig tastete sie die vermorschte Täfelung ab. Endlich ein Schlitz - sie hatte mit Glück den Schrank gefunden. Hastig öffnete sie ihn und - richtig, da stand neben Schiffspapieren und alten Briefen das Kästchen. Es war wohl beschlagen und angerostet, aber das machte nichts. Schnell raffte sie noch einige lesbare Briefe zusammen, nahm das Kästchen unter den Arm - ohne vorher hineingeguckt zu haben, denn das Schloß ging schwer - und hastete nach oben. Bald stand sie auf dem Wattenmeer, erleichtert atmete sie auf. - Aber was war das? - Wieder stieg es, wie vor drei Jahren, aus den Prielen, und schon konnte sie kaum mehr etwas sehen. Antje lief so schnell, wie es das Watt erlaubte. Sie mußte die Baken finden! - Schon war das Wrack im Nebel verschwunden, und die erste Bake hatte sie immer noch nicht. Sie rannte zurück, um wenigstens nicht das Wrack zu verlieren. Jede Sicht hatte sie verloren, und das Wasser stieg in den Prielen. Nach einer halben Stunde - sie hatte weder das Wrack noch die Bake gefunden - wußte Antje, daß sie sich verirrt hatte. Und in den Prielen stieg das Wasser weiter. Sie begann, planlos umherzuirren und schrie, aber zu Hause wußten sie nicht, wo sie war, und niemand antwortete.

Oder doch? - Plötzlich hörte sie ein höllisches Gelächter. Es kam nicht aus einer Richtung, sondern von oben, von unten, von allen Seiten zugleich. Antje fuhr zusammen: Der Wattkönig!

Es mag auch eine Möwe gewesen sein, die so schrie, jedoch Antje hätte darauf schwören können, daß es der Wattenkönig war. Die Priele waren reißende Bäche geworden, ja Ströme. Gierig beleckten sie die Schlickflächen. Eine schrecklich lange Zeit verging. Antje hatte sich auf die höchste Stelle einer Schlickfläche geflüchtet und stand schon bis an die Knie im Wasser. - Nach einer Weile wieder das krächzende Lachen - Antje konnte sich nicht mehr halten, der Schlickboden gab nach, sie verlor die Besinnung, und der nächste Brecher nahm sie hinweg. Der Wattenkönig hatte sie geholt nach seinem Gesetz, nach dem er alle jungen Menschen holt, die versuchen, auf Nebelsand zu verweilen.

Er machte Antje zur Königin aller seiner Nebelfrauen. Kein lebender Mensch hat sie je wieder gesehen, denn sie zeigt sich nur dem verirrten, todgeweihten Wattenwanderer.

"So, Kinder", sagte Großmütterchen, das ist die Geschichte der Nebelkönigin, so gut ich sie erzählen konnte". - "Und wo ist das Schatzkästchen geblieben?", wollte einer von uns kleinen, aufmerksamen Zuhörer wissen. - "Das hat Antje in ihrer Todesangst fortgeworfen. Es ist im Schlick versackt und wird wohl auf dem Meeresgrund ruhen, denn bis heute hat es kein Mensch wiedergefunden."


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