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Weihnachtsausgabe Badekurier 1956
 
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Umgeben von der Sonnen-Energie-Sparkasse:

Winter auf Norderney

Unerschöpfliche Natur-Fernheizung Golfstrom

Ohne die Meere, die fast drei Viertel der Erdoberfläche bedecken, wäre unser Klima fast unerträglich: im Sommer tropisch heiß, im Winter sibirisch kalt. Nur dem Meere verdanken wir ein gemäßigtes Klima, denn das Meer reguliert die Wärme.

Jeder weiß aus Erfahrung, daß man im Spätherbst, wenn es plötzlich kalt geworden ist, noch im Freien baden kann, weil sich das Wasser viel langsamer abkühlt, als die Luft. Und umgekehrt dauert es im Frühjahr noch einige Zeit, bis wir uns nach den ersten warmen Tagen aus dem Wellenbad wieder in die freie See wagen dürfen: das Wasser erwärmt sich auch langsamer als die Luft. Dadurch werden die Meere zu einer "Sparkasse für Sonnenenergie".

Die Sonne kann monatelang herabbrennen, ohne die Meere um mehr als ein paar Grad zu erwärmen. Diese Sommerwärme wird von den unermeßlichen Wärmemassen gespeichert. Bricht nun der Winter herein, dann kühlt die Luft der Ozeane zwar etwas ab, aber nie so stark, daß sie etwa einfrieren könnten wie etwa Wasserflächen im Binnenlande. Denn das Meer beherrscht die Luft in weit größerem Maße als umgekehrt; es kühlt die Luft im Sommer ab und wärmt sie im Winter auf.

Um das zu verstehen, muß man wissen, daß man zur Erwärmung von Wasser 3.000 mal mehr Wärme braucht als zur Erwärmung einer gleich großen Menge Luft. Das Meer kann im Sommer unheimliche Mengen Wärme speichern. Wenn sich im Winter das Meerwasser abkühlt, gibt es seine Wärme in beträchtlichen Mengen an die Luft ab. Wird eine einen Meter dicke Wasserschicht des Meeres um einen Grad kälter, dann reicht die vom Wasser abgegebene Wärme aus, um eine 3.000 Meter dicke Luftschicht um einen Grad zu erwärmen.

Durch die verschiedenen Temperaturen der Ozeane entstehen auch unterschiedliche Zonen des atmosphärischen Drucks. Kalte Luft ist schwer, ihr Druck auf die Erdoberfläche entsprechend groß (Hochdruck). Warme Luft hingegen nimmt viel mehr Raum ein, ist entsprechend leichter und verursacht Tiefdruckgebiete. Die ständigen Hochdruckzentren über den Meeren sind der Geburtsort der meisten Winde. Andererseits entwickeln sich im Winter über den wärmeren Meeren Tiefdruckzentren, die das europäische Klima günstig beeinflussen. Die meisten Winterstürme verdanken wir den isländischen Tiefs, die über Nord- und Ostsee zu uns kommen.

Wir hier an der Nordseeküste haben aber nicht nur den Vorteil der vom Atlantik her wehenden Westwinde, sondern auch den des Golfstroms. Es ist ein großes Glück, daß Europa vom Atlantischen Ozean her ferngeheizt wird. Wären wir im Winter nur auf die Sonnenstrahlen angewiesen, die dann auf Nordeuropa schräg - und selten herabscheinen, so dürften wir uns um Weihnachten nur in Warteanzügen und dicken Pelzen ins Freie wagen. Denn Norderney liegt nur wenig südlicher als Moskau. Die Landmassen Asiens und Kanadas erstarren im Winter, weil sie dem mildernden Einfluß der Ozeane entzogen sind. Meer und Luft, die in ihrer flutenden Bewegung verwandt sind, gleichen einer gekoppelten Wärmemaschine, die im Haushalt der Erde den Wärmeausgleich bewirkt. Wie in der Atmosphäre ständig kalte Luft von den Polen zum Aequator unterwegs ist, und warme Luft vom Aequator zu den Polen, so haben auch die Ozeane ihre kalten und warmen Strömungen. Die Häfen des meerumspülten Neufundlands an der nordamerikanischen Ostküste frieren in jedem Winter zu, weil vor der Küste Neufundlands die eisige Labradorströmung die polaren Wassermassen nach Süden wälzt. Dagegen bleibt die viel nördlichere Emsmündung normalerweise eisfrei, weil uns der Golfstrom südliche Wärme zuträgt. Die breite, warme Ozeanströmung heizt auch die Luft, die lau und diesig die Nordseeküste überflutet. So zieht die Waterkant aus dem Golfstrom größeren Nutzen als das Binnenland.

Die Seefahrer, die vor gut viereinhalb Jahrhunderten die Wege nach Amerika wieder entdeckten, nahmen verblüfft die warme Meeresströmung zur Kenntnis, die ihre Schiffe manchmal aufhielt und manchmal beflügelt vorwärtstrug, selbst wenn der Wind ungünstig war. Sebastian Caboto, ein Zeitgenosse des Christoph Columbus, berichtet in seinem Reisetagebuch, daß im Laderaum seiner Karavelle das Bier durch die unerklärliche Wärme in Gärung geraten sei. Das ist die erste schriftliche Aeußerung über die Wirkung des Golfstroms, der erst nach und nach in den Köpfen der Seeleute Gestalt gewann.


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