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Weihnachtsausgabe Badekurier 1956
 
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MöwenHier und da glaubte man bis ins 19. Jahrhundert hinein, daß der Golfstrom nichts weiter sei als die Verlängerung des gewaltigen Mississippi, der sich bei New Orleans in den Golf von Mexiko ergießt. Mit dieser naiven Auffassung räumte die Meereskunde gründlich auf, die mit immer exakteren Methoden die ozeanischen Strömungen erforschte.

Beständige Strömungen durchziehen alle Ozeane. Ihre Hauptantriebskraft sind die Winde. Mitspieler ist die Sonne, deren Strahlen die Wasseroberfläche ungleich erhitzen, was einen verschieden schnellen Austausch und Ausgleich kalter und warmer Wassermassen bewirkt. Die Erdrotation gibt den Strömungen "Ostdrall", und die angrenzenden Massen der Erdteile sowie die Bänke und Tiefen der Unterwasserlandschaft wirken auf den Richtungsverlauf der Strömungen ein.

Vor allem sind es die Passatwinde, die beharrlich in gleicher Richtung wehen, welche die äquatorialen Strömungen um den Globus treiben. Der Golfstrom ist nur ein gewaltiger Arm des nördlichen Aequatorialstroms, der den Aequator diagonal überquert und durch das Karibische Meer auf die Landenge von Panama stößt, die ihn nach Nordosten zurückwirft. Dort - im Golf von Mexiko - dreht sich also die Strömung und flutet mit fünfeinhalb Stundenkilometern Geschwindigkeit 150 Kilometer breit und 1.600 Meter tief durch die Straße von Florida. Zwischen Florida und der Insel Kuba eingeengt fließt der Golfstrom tatsächlich "abwärts". Der Niveau-Unterschied vor und nach dem "outfall" beträgt neunzehn Zentimeter.

Nördlich der Bahama-Inseln nimmt der Golfstrom die Antillenströmung in sich auf und fliegt dann nach Osten auf den europäischen Kontinent zu. Fingerförmig verzweigt er sich nordwärts nach Island, Norwegen und an England vorbei in die Nordsee bis nach Nordfriesland, südwärts nach den Küsten Portugals und Spaniens. Ein Teil gelangt sogar ins Mittelmeer.

An die Küsten Europas bringt der Golfstrom das wärmste Wasser, das es in entsprechenden Breiten auf der Welt gibt. Ein Teilstrom bewirkt, daß sich an der Westküste Spitzbergens Blumengärten ausbreiten, während die Ostküste in lebloser Kahlheit erstarrt.

Im Golf von Mexiko, dort, wo der warme Strom seinen Anfang nimmt, gibt es eine Bucht, die man die "Zinnober-See" nennt. Die rötliche Färbung rührt von unzähligen Kleinstlebewesen her, die das Wasser färben. Wo die See tiefblau und gläsern durchsichtig ist, dort herrscht Unfruchtbarkeit: wo sie in grünen, gelben oder rötlichen Tönen schillert, da gibt es Leben in reicher Fülle. Dort gedeihen winzige Pflanzen und Tiere, denen der Kieler Professor Viktor Hensen auf eigner Nordatlantikfahrt im Jahre 1880 den heute überall üblichen Namen "Plankton" gegeben hat. Dieses griechische Wort heißt "wandernd" und soll bedeuten, daß die mikroskopischen Geschöpfe ohne Heimat sind und sich durch die Meeresströmungen dahintreiben lassen. Besonders zahlreich treten diese primitivsten Wesen auf, wo sich zwei Strömungen begegnen und in wirbelndem Wettstreit die Sinkstoffe der Tiefe hochtreiben, oder auch in den Buchten, wo die Flüsse münden und die Mineralien des Festlandes in die See hinaus tragen.

Nahrhaft sind die Kieselalgen, die Diatomeen, die in ihrem einzelligen Körper Oel ablagern und einen wesentlichen Bestandteil der ozeanischen Weidegründe bilden. Noch viel winzigere Pflanzen - das Ultraplankton, das nicht einmal ein zehntausendstel Millimeter groß ist - vervollständigen die "Hochseeweiden", von denen die kleinen, garnelenartigen Krustazeen, die Ruderfüßler und Flügelschnecken leben. Mit dem Ultranlankton beginnt die "Nahrungskette" der Meeresgeschöpfe: das kleinere dient meist dem nächst größeren zur Speise.

Im Gegensatz zu den Landpflanzen brauchen die Seepflanzen keine Wurzeln: sie bauen sich aus der Nährsalzlösung des Meeres auf, das alle notwendigen chemischen Elemente enthält. Die Seegeschöpfe sind großartige "Chemiker", die sich noch die winzigsten Spuren von Mineralien nutzbar machen. Das Blut der Seewalzen enthält Vanadium, das der Hummer Kupfer: Miesmuscheln extrahieren Kobalt und manche Mollusken Nickel. Jod, das auch die unterseeischen Vulkane den Ozeanen liefern, wird von fast allen Wasserwesen verarbeitet.

Vom breiten Golfstrom getragen, treiben die Seegeschöpfe bis in die arktischen Gewässer. Zum Plankton gehören auch Riesengebilde, wie die Quallen, die wir oft am Strande von Norderney finden. Die Wärme des Golfstroms ermöglicht es, daß so südliche Wesen, wie die "Portugiesische Galeere" oder die Kompaßqualle, vor unseren Küsten auftauchen. Die "Galeere", die bis zu dreißig Metern lange Fangarme hinter sich zieht, ist eine Gemeinschaft aus Einzeltieren, die als Organe dieses schwimmenden "Staates" funktionieren.

Die Einwirkungen des Golfstromes auf die Nordsee und ihr Klima bekommen wir ständig zu spüren: es ist deshalb nicht abwegig, von Norderney aus den Golfstrom einmal näher zu betrachten, denn seine Spuren können wir deutlich erkennen, wenn wir von unserer Strandpromenade aus auf die Nordsee hinaus schauen.


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