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Norderneyer Badezeitung | Norderney Kurier
Seidelmann schwankte. Die reale unbarmherzige Gegenwart war sein Element. Er war gewöhnt, an materiellen Dingen zu nehmen, was er glaubte, brauchen zu müssen. Aber etwas anderes? - Dann überlegte Seidelmann, was ihm lange nicht mehr in den Sinn gekommen war. Immer stärker drang die alte vom Alltagskampf nahezu überwucherte Weisheit in sein Bewußtsein: "Nimm gute Ratschläge an, wenn sie von Herzen kommen, ganz einerlei, wer sie dir gibt."
Und die alte, lebenskluge Wirtin? Sie fühlte, wie nie zuvor, daß wohl unsere Zeit bestrebt ist, alles und jedes zu regeln und zu tarifieren, wie die Gegenwart durch Schemen zu Sicherheit strebt, wo doch nur ein wahrhaft gerechtes Leben einzig Sicherheit bieten kann in der Gemeinschaft der Menschen.
Viel noch sprachen die beiden, Hausherrin und Gast, in den wenigen Tagen miteinander über das, was wesentlich und unwesentlich ist. Wieviel Unwesentliches habe ich in mein Leben eindringen lassen, dachte Seidelmann, was ich selbst gar nicht will und nicht gebrauchen kann, - und alles dies bewegte noch sein Herz, als er bei der Rückreise wieder in den Zug gestiegen war, - als er die Schiffsleute in aller Ruhe die Abfahrt des Zuges besehen sah, bevor sie zu neuer Überfahrt alles klar machten. Der Zug mit der schweren Maschine enthielt einen anderen Seidelmann, als er den Deich hinauf keuchte, um nach Minuten in sausender Fahrt durch die weiten Ebenen den Stätten rastloser Arbeit zuzueilen, ohne einen Prellbock befürchten zu müssen und ohne in die Nähe eines ihm gefährlichen Elementes zu kommen.