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Rabattsparverein e.V. Norderney

Der letzte seiner Art - Ende einer guten Idee

Ein letztes Mal saßen die Mitglieder des Norderneyer Rabatt-Sparvereines am 18. April 2002 im Kurcafé beisammen. So rechte Stimmung mochte bei dieser Vereinsversammlung nicht aufkommen, bedeutete sie doch das Ende dieser in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Organisation.

1952, aus dem Radio tönten Rudi Schurikes Caprifischer oder Hans Albers Kleine weiße Möwe. Am 3. Januar versammelten sich die Norderneyer Geschäftsleute Paul Meyer, Heinrich de Boer, Johannes Müller, Herbert Peters, Paul Weiershaus und Hermann Schipper, um den Rabatt-Sparverein e.V. zu gründen. Die Zeiten waren schlecht. Zwar hatten die englischen Besatzer die letzten Hotels geräumt, doch der Tourismus steckte noch in den Kinderschuhen. Wirtschaftlich ging es allen sehr schlecht. Die ersten Gäste kamen zu Pfingsten und blieben höchstens zwei Tage. Danach hieß es warten, bis zu den Sommerferien und die liefen Ende August aus. Der Preis für eine Übernachtung mit Vollpension lagen bei 11 und 12 Mark. Auch dem Handel ging es schlecht und bei Gründung des Vereines gab es eine erbitterte Diskussion um die Frage, ob drei Prozent Rabatt seitens des Lebensmittelhandels aufgebracht werden könnten. Den Ausschlag gab schließlich die Tatsache, dass die Konsumgenossenschaft Norderney ihren Mitgliedern eine Rückvergütung von drei Prozent ausschüttete.

Am 9. Februar 1952 erschien in der Norderneyer Badezeitung eine Annonce, in der 45 Einzelhändler bekannt gaben, dass sie drei Prozent Rabatt in Form von Sparmarken ausgeben wollten. Bereits im November zählte der Verein 61 Mitglieder und 1954 waren es 100 Einzelhändler, die sich aus allen Branchen einschließlich Bäcker und Schlachter zusammen setzten. Das war einmalig in der Bundesrepublik Der Verein hatte eine so große Bedeutung erlangt, dass Kaufleute, die ein Geschäft gründen wollten, sich zunächst um die Mitgliedschaft im Verein bewarben.

Der Erfolg des Rabatt-Sparvereins lag wohl vor allem im Spargedanken. Nicht nur für die Einzelhändler waren die frühen 50er-Jahre und die Zeit danach hart. Es gab nur begrenzte Verdienstmöglichkeiten auf der Insel, viele junge Männer gingen damals ins Ruhrgebiet und arbeiteten unter Tage im Bergbau. Das Geld war knapp und der Groschen wurde wohl mehr als drei Mal umgedreht, bevor eine Anschaffung getätigt wurde. Zur Weihnachtszeit hätte es in manchem einfachen Haus bitter ausgesehen, wäre da nicht das kleine Polster in Form von Rabattmarken gewesen, das dann für Weihnachtsbraten, bunte Teller oder kleine Geschenke herhalten mußte.

Das System war einfach. Für jeden Einkauf wurden Rabattmarken ausgegeben, die im Dezember gegen Gutscheine, das so genannte "Rabattgeld", das in Form und Farbe dem Monopoly-Geld nicht unähnlich war, im Dezember eingelöst werden konnten. Ein alljährlich wiederkehrendes Ritual, das für Jahrzehnte zur Vorweihnachtszeit gehörte. Die Händler kauften die Marken bei ihrer Hausbank, das Geld landete auf einem Sonderkonto und gegen Vorlage des Rabattgeldes, das nur Mitgliedsgeschäfte annehmen durften, floß das Geld zurück in die Kassen der Händler und bescherte den lebensnotwendigen Umsatz in den Wintermonaten. 1954 wurde erstmals ein Umsatz von 100.000 Mark erreicht, im Schnitt 1000 Mark pro Mitglied. Das war zu jener Zeit sehr viel Geld.

Peinlich genaue Abrechnung war ein weiterer Garant für den Erfolg des Vereines. Der Umtausch war mit sehr hohem Aufwand verbunden und es mußte professionelle Hilfe her. Deshalb wurde 1955 Wilhelm Dehns zum Geschäftsführer berufen. Der erinnert sich an die erste Einlösung: "Wir saßen zu dritt im Raum und versuchten den Umtausch von 112.000 Mark in Rabattbüchern zu meistern. Mittags, bei der Abrechnung, tauchten Differenzen auf, die wir stundenlang suchten. Bedenken Sie, wie knapp das Geld damals war. Das Protokoll verzeichnet einen Schwund von 1551 Mark (1,5%). Im Bundesgebiet waren damals vier Prozent Üblich." Der Schwund, das waren die Marken, die zwar ausgegeben, aber nicht wieder eingelöst wurden. Das Geld verblieb beim Verein und wurde unter anderem für Werbemaßnahmen, wie Preisrätsel oder Einkaufstaschen genutzt. Bei der Versammlung 1958, sie fand im Golfhotel statt, erhielten die anwesenden Mitglieder einen Getränkegutschein im Wert von 5 Mark - nicht jedoch die Ehegatten.

Eine echte Herausforderung stellte auch die Vernichtung der eingetauschten Rabattbücher dar. Sie bereitete dem Vorstand regelmäßig Kopfschmerzen. Zunächst wurden die Karten im Ofen der Bäckerei Schipper verbrannt. Das ging nicht mehr, weil der Ofen danach völlig verdreckt war, vom Leim der Marken. Auch die Heizer der Großfeuerungsanlage im Seehospiz weigerten sich aus diesem Grund nach ein paar Jahren. Die Verbrennung im Ofen der Stadtwerke scheiterte daran, daß bei vollem Betrieb viele Karten unverbrannt aus dem Schornstein flogen. Wilhelm Dehns: "...die Vorstandsmitglieder hüpften durch die Gegend, um diese Karten wieder einzusammeln." Auch das Versenken im Meer klappte nicht. Nach zwei Tagen lag ein voller Sack bei einem Vorstandsmitglied vor der Tür. Er war an den Strand gespült worden.

Die folgenden Jahre spiegeln das wirtschaftliche Wachstum Norderneys wieder. 1960 waren es 200.000 Mark, die an Rückvergütungen ausgezahlt wurden, 1965 sogar 270.000. 1972 schieden die Bäcker und Schlachter aus. 1974 kämpfte der Verein um seinen bestand. 1975 begann der Rückgang bei den Mitliedern und Rückvergütungen. 1987 sind es nur noch 34 Mitglieder. 1990 löst sich der Bundes-Rabattverband auf. 1994 fällt die Rückvergütung unter 100.000 Mark, 1995 wurde die Markengabe eingestellt.

Es fanden mehrmals Tagungen das Rabatt-Verbandes auf Norderney statt, da kamen 300-400 Delegierte aus dem Bundesgebiet. Bei der letzten Verbandstagung waren es noch 10. Der langjährige Vorsitzende des Vereins, Heribert Solaro, war zeitweise sogar Bundesvorsitzender des Rabattverbandes, da hatte dieser aber nur noch zwei Mitglieder. Dies zeugt vom allgemeinen Niedergang des Rabattwesens in Deutschland. Der Norderneyer Rabatt-Sparverein war der letzte seiner Art in der Bundesrepublik, der noch Marken ausgab. Die Unterlagen werden nach Abwicklung dem Stadtarchiv Übergeben. Nach 50 Jahren findet die Idee keinen Anklang mehr. Trotz neuen Rabattgesetzes und "Payback Card", sie hat sich Überlebt.


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