--> https://www.norderney-chronik.de/themen/insel-stadt/presse/nbz/wbk/1950/seite_007.html

NorderneySeiten-Ende

53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

Das Jahr 1398Das Jahr 1797Das Jahr 1849Das Jahr 1862Das Jahr 1873Das Jahr 1948Das aktuelle JahrHilfe/Info

Insel/Stadt | Bilder/Prospekte | Daten/Fakten | Kunst/Kultur

Chronik der Insel | Betriebe und Einrichtungen | Insel und Küste | Insel und Stadt Historisch | Küstenschutz | Presse | Vereine

Norderneyer Badezeitung | Norderney Kurier

Seite Presse | Norderneyer Badezeitung | Sonderausgaben | Badekuriere: Frühjahrsausgaben | Sonderausgaben | Weihnachtsausgaben | 1950-1959 | 1960-1969 | 1970-1979 | 1980-1989 | 1990-1999 | 2000-2003

Seite zurückÜbersichtnächste SeiteFenster schliessen
Weihnachtsausgabe Badekurier 1950
 
Seite 7

Welche Aufgaben zu erfüllen sind, möge sich jeder einmal vorstellen, wenn er einen Heimkehrer sieht, dem es noch nicht wieder gelungen ist, festen Fuß zu fassen: Müde, seelisch zerschlagen, an den Folgen des Hungers und eines landfremden Klimas leidend, heimatlos, oft ohne Angehörige, das Gespenst der Arbeitslosigkeit vor Augen.

Diese Heimkehrer verkörpern den einen Typ der Krankheitsbereiten, die jede weitere Belastung umwirft. Das ist auch der Typ, der uns in Deutschland am meisten begegnet: sei es nun die Flüchtlingsfrau mit vielen Kindern, ohne Mann und ohne Existenz, seien es nun die unterernährten Kinder selbst oder die vielen, vielen Abstufungen. Man muß nur den Mut haben, richtig hinzusehen. Dann wird man auch erkennen, daß der bittere Existenzkampf des heutigen Lebens mit seiner Unruhe und Hast das gleiche Bild schafft. Hier finden wir fast alle diejenigen Menschen, die um die Wiedergesundung Deutschlands ringen, ganz gleich, ob sie nun Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sind. Alle diese Menschen tragen den Keim zur Krankheit in sich, weil sie von allem zu wenig be kamen oder bekommen, was zur Erhaltung der Gesundheit notwendig ist. Gegen sie verblassen bei uns diejenigen Menschen, die krankheitsbereit sind, weil sie zuviel bekamen. Der Ueberernährte mit hohem Blutdruck und Neigung zu Schlaganfall ist nicht so sehr die Regel; zeigt er diese Symptome, so hat das meistens andere Gründe.

Kinder am StrandWir wollen versuchen, uns die Menschen zwischen gesund und krank in ihren beiden Typen einmal bildlich vorzustellen: Drei Menschentypen befinden sich auf einer Wippe, deren Angelpunkt die völlige Gesundheit ist. Der mittlere ist den Schwingungen kaum ausgesetzt und daher ungefährdet. Der rechte wird durch die Unterfunktion nach unten gezogen. Der linke aber wird durch die Ueberfunktion hochgeschleudert. Angst und gesteigerte Lebensunsicherheit lassen nun die gefährdeten Menschen auch noch Fehlhandlungen begehen. Wer aber die Wippe verlassen muß, wird krank und versinkt, wenn er den rettenden Halt nicht wieder erreicht.

Es gibt unendlich viele Wege, die Menschen auf dem normalen Lebensstrom zu halten. Der deutschen Aerzteschaft stehen aber nur eine beschränkte Anzahl dieser Wege offen. Wir können in naher Zukunft keine prunkvollen Sanatorien und Kurorte errichten. Wir müssen mit dem fertig werden, was die Natur uns gegeben und was der Krieg uns gelassen hat. Sicherlich wird die Normalisierung des täglichen Lebens, der Nahrung und vor allem der Wohnverhältnisse den Zustand der Krankheitsbereitschaft weitgehend beseitigen. Aber mahnen nicht viele Stimmen vor allzu großem Optimismus? Da gilt es, die naturgegebenen biologischen Kräfte der Heimat auszunutzen, ehe es zu spät ist. Eine solche Kraft ist das Meer, das den Zustand der Krankheitsbereitschaft mit überwinden hilft, wenn seine Heilkraft richtig angewandt wird.

Längst hat man die gute Wirkung des Seeklimas für die gefährdeten Kinder erkannt. Tausende von Kindern fahren im Jahr an die See und kehren gestärkt, mit einer Steigerung ihres Stoffwechsels, mit erhöhtem Eiweißansatz und gesundetem Blut in die Großstädte zurück. Jeder sollte einmal die Kinder ansehen, die der Dampfer nach Norderney bringt. Oft mit erschreckendem Untergewicht, verhärmt, wie kleine Greise mit schlechter Haltung werden sie am Hafen in Empfang genommen. Dagegen ist man immer wieder beeindruckt von der Frische der Kinder und dem gesunden Aussehen, wenn es wieder in die Heimat geht. Nur in den seltensten Fällen gelingt es nicht, das fehlende Gewicht aufzuholen.

Auch Krankheiten werden an der See besser geheilt, und die Knochen-, Gelenk- und Drüsentuberkulose, Asthma und Ekzem haben gerade an der See die größte Aussicht, richtig auszuheilen. Aber nicht nur im strahlenden Sommer, nein, gerade im Winter werden die besten Erfolge erzielt. Was für die Kinder zutrifft, gilt auch für die Erwachsenen. Alle die Menschen, die auf unserer Wippe rechts drohen, in die Krankheit abzusinken, gehören im Winter, Herbst und Frühjahr an die See. An erster Stelle aber die durch den Krieg und seine Folgen so schwer geschädigten Menschen. Viele wollen einfach nicht glauben, daß der Winter an der See heilend ist. Sie frösteln bei dem Gedanken an die See im Winter. Die Jahrzehnte alte Erfahrung hat aber immer wieder die Ansichten der Aerzte bestätigt, der normale Erholungssuchende möge im Sommer kommen. Der Mensch aber zwischen gesund und krank, der vielleicht der wirklich Kranke von morgen ist, eine Erscheinungsform, die wir früher in einem solchen Umfang überhaupt nicht für möglich gehalten hatten, findet in unserem Vaterland kaum einen Ort, wo die Natur ihm derart hilft, wie im Winter an der See.

Der Nestor der deutschen Meeresheilkunde, Professor Dr. Haeberlin, sagte sehr richtig: "Im Deutschland unserer Tage ist bei unerhörtem Tiefstand der Volksgesundheit und bei Verlust so vieler anderer Heilmöglichkeiten die Aufgabe der Seekurorte von bisher nie dagewesener Bedeutung".

Die Heilbäder der Nordsee müssen mehr denn je in den Kampf mit eingespannt werden, die Menschen zwischen gesund und krank wieder in das normale Gleichgewicht zu bringen, darüber hinaus ihnen aber soviel Reserven für den Alltag du Lebens mitzugeben, damit auf sie wieder das Nietzsche-Wort zutrifft:

"Gesund sein heißt, nicht auf alles reagieren zu müssen".


NBZ - Weihnachtsbadekurier 1950 Hilfe/Info Logo der Chronik © 2002-2024 H.-H. Barty Seitenanfang