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Insel Norderney

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Weihnachtsausgabe Badekurier 1950
 
Seite 10

Meine Norderneyer Gäste

Von Rudolf Boden

Das bescheidene graugrüne Büchlein war das Präsent eines Trauzeugen. Es schwieg viele Jahre. Wie mancher muß lange schweigen, ehe er etwas zu sagen hat. Ich spürte bald, daß dem graugrünen Büchlein Norderney, die Weltstadt zu Sommerszeiten, sehr viel zu sagen hatte. Ist es ein Zufall, daß dieses bunte insulare Welttheater ein Meister der Conference, Könner subtilster Prägung eröffnet, einer, der das Echte im allumfassenden guten Sinne verkörpert? Es ist das Heitere. Und heiter muß die Welt sein.

Bob Illers Satire ist bissig, aber sie hat Wärme. Er sieht "den deutschen Menschen" (im September 1948) so:
Man säte ihm Gras, Da er nichts mehr besaß, Und weil er sonst nichts aß - Biß er in das!
"Dieses mein jüngstes hier Geborene", setzt er mit flüssiger, souverän geführter Feder darunter. Wahrhaftig: er schüttelt die Pointen nur so vom Baume der Erkenntnis. Das madige, angeseifte Fallobst überläßt er anderen.

Sein großer Kollege Werner Finck zeigt zugleich die andere Seite seiner Begabung. Diese Karrikatur sagt mehr aus, als der Mann der angebrochenen Sätze sonst auszusagen pflegt. Die spitzbübische Hintergründigkeit projiziert das Gedachte mit einer erstaunlichen zeichnerischen Routine. Eine Hochform erschütternder Selbstironie.

NotizJene figürliche flächige Handschrift ist so echt wie die des temperament-sprühenden Bobby Streib, bei dem das Politische nur den äußeren Rahmen abgibt für die allzu menschlichen Unzulänglichkeiten in schwierigen Situationen: "Humor ist der Luftschutzkeller in der giftigen Atmosphäre unserer außenpolitischen Lage. Darum muß man ihn hüten wie einen Augapfel." Addi Münster ist diesmal "ein Mann mit wenig Worten", Doppelpunkt: "Hummel! Hummel!" Er ist es. Sonst könnte er nicht so viel sagen. Ludwig Manfred Lommel empfiehlt sich, persönlich gesehen, mit einem doppelt sinnvollen Wortspiel: "Aus Runxendorf vertrieben, haben wir hier unseren Boden wiedergefunden!" Den Boden persönlich meint er natürlich nicht, "den Boden" im landläufigen Sinne. Heinz Ehrhardt, um die Parade der Humoristen abzuschließen, schreibt "nur mit großen Hemmungen in dieses kleine Buch voller Prominenz" und vergißt dabei ganz, daß er selbst eine ist.

In den Jahren 1947/48 lernten wir eine Stimme kennen, die dem Insel-Kritiker besondere auffiel: Maria Corellis blühender Sopran voll differenzierten Kolorit. Wir empfahlen sie in Berlin, wo sie seit zwei Jahren wirkt. "Ein neuer Stern am Opernhimmel", "erinnert an Maria Cebotari", schrieb kürzlich die große Presse. Eine Stimme, die in der Stille wuchs, die aber selbst nach triumphalen Aufstiegen nie laut werden wird. Stimme und Mensch haben Charakter. Sie fand sich im Herbst 48 mit ihrem Belcanto-Partner Francesco Lusi in meiner damals sehr bescheidenen Klause ein. Ich öffnete meinen Schallplattenschrank. "Zauber der Stimme" das Thema. Maria Corelli genoß es ganz mit heiliger Andacht. Kein Wort fiel von ihren schmalen Lippen. Wohl über drei Stunden lang. Sie träumte mit ihren großen, dunklen Augen. Dann schrieb die Mailänderin in ihrer ungelenken, rührenden Bescheidenheit in das graugrüne Buch: "Meine beste Wünsche an der liebenswürdige Herr Boden und mit vielen dane für die schöne Musiestunde mit die beste Sänger." Nina Konsta , die achtsprachige Diseuse von Weltformat, die hier ihren ersten verheißungsvollen westdeutschen Start absolvierte und die "dem Norderneyer Rezensenten auch heute noch dafür dankt, daß er damals ihre Anlagen schon richtig erkannte", produziert sich in Deutsch und in Griechisch, der Sprache ihrer Heimat. Eine Sentenz von tiefer Bedeutung kredenzt der stets ans der Tiefe wirkende Operettentenor Paul Kadach , der Prinz von Würde und Vornehmheit aus dem "Land des Lächelns": "Das Leben ist eine Bühne; spiele gut!"

Die Musikprofessoren Wilhelm Stroß und Rudolf Metzmacher zeichnen in herzlicher Verbundenheit; hier paaren sich Impulsivität und Konzilianz; so merkwürdig, so gegensätzlich, so sympathisch. Es ist das Signum zweier Idealisten der Kunst. Wie ideal, wenn sie alle so wären! Ganz von Mozarts filigranhafter Glückseligkeit umfangen und mit einem Schuß gemeinsamer Reminiszenzen gewürgt die Seite Alfred Hering - Tresi Rudolph, ein Künstler-Ehepaar, das jedem Kurgast nicht nur etwas, sondern sehr viel zu sagen hat. Und wie nett symbolisch das Allegro molto in der liebreizenden Gestalt von Fiordiligi aus "Cosi fan tutte": "Glücklich zu preisen, wer erfaßte alles von der richtigen Seite." Sie haben es beide von der richtigen Seite erfaßt. Bisher zwei schöne Norderneyer Sommer lang. Aller guten Dinge sind aber mindestens drei . . .


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