--> https://www.norderney-chronik.de/themen/insel-stadt/presse/nbz/wbk/1952/seite_005.html

NorderneySeiten-Ende

53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

Das Jahr 1398Das Jahr 1797Das Jahr 1849Das Jahr 1862Das Jahr 1873Das Jahr 1948Das aktuelle JahrHilfe/Info

Insel/Stadt | Bilder/Prospekte | Daten/Fakten | Kunst/Kultur

Chronik der Insel | Betriebe und Einrichtungen | Insel und Küste | Insel und Stadt Historisch | Küstenschutz | Presse | Vereine

Norderneyer Badezeitung | Norderney Kurier

Seite Presse | Norderneyer Badezeitung | Sonderausgaben | Badekuriere: Frühjahrsausgaben | Sonderausgaben | Weihnachtsausgaben | 1950-1959 | 1960-1969 | 1970-1979 | 1980-1989 | 1990-1999 | 2000-2003

Seite zurückÜbersichtnächste SeiteFenster schliessen
Weihnachtsausgabe Badekurier 1952
 
Seite 5

Es wurde schon eingangs gesagt: Der Inselwinter hat ein anderes Gesicht. Und doch - einsatzbereite Männer stehen heute wie damals gerade in den dunkelsten Tagen um die Jahreswende bereit, um im Dienste am Nächsten der unersättlichen Nordsee ihre Opfer zu entreißen. Viele dieser Heldentaten jenseits großen Gepränges bleiben unbekannt, und nur manchmal lassen nüchterne Berichte etwas von dem ahnen, was hier geschieht.

Noch heute ist jener tragische Dezembertag des Jahres 1926 auf Norderney unvergessen, als ein Hamburger Seeleichter auf dem Riff in Höhe der Kaiserstraße strandete. Das Schiff hieß "Borgfelde." Es wurde eine tollkühne Rettungsfahrt, zu der das Ruderrettungsboot "Fürst Bismarck" sofort auslief. Der orkanartige Sturm und die wildbewegte See hatten einen Schleppzug querab von der Insel zerrissen. Noch ahnte man auf Norderney nichts von einem Unheil, als plötzlich der Funkspruch des Hochseeschleppers "Titan" entziffert wurde: "Versucht Mannschaften des treibenden Seeleichters "Borgfelde" zu retten!" Und doch: es war vergeblich, das Unglücksschiff kam nicht in Sicht. Am nächsten Morgen erst, als die fahle Helligkeit heraufkam, sah man vor dem Riff einen Mast aus dem Wasser ragen. Es war das Letzte von der "Borgfelde". Die gewaltige Dünung hatte das hilflos treibende Schiff über die Sandbank geschlagen, und es war zerschmettert gesunken, ehe das Rettungsboot helfen konnte. Sieben Mann der Besatzung hatten den Seemannstod gefunden. - Mehr Glück war bei den Norderneyer Rettungsleuten in den ersten Tagen des Jahres 1938, als es galt, drei Mann der Besatzung des Hamburger Motorfrachters "Elle" vor Spiekeroog dem sicheren Tode zu entreißen. Als erster wurde von dem sinkenden Schiff der schwerverletzte Kapitän übergeholt. Ueberkommende Brecher hatten die Aufbauten des Frachters zertrümmert. Einer der beiden Matrosen war dabei in dem Ruderhaus derart eingeklemmt worden, daß man ihn erst mühsam losschlagen mußte. Das Schiff selbst mußte dem Schicksal überlassen werden, ihm konnte keiner mehr helfen.

Nur drei Jahre her ist eine andere traurige Nacht, die eines jener Geschehnisse brachte, um die die Gespräche der seeverbundenen Insulaner ganz besonders an den langen Winterabenden kreisen. Der Bagger "Löwe" hatte während des Sommers seinen Standort bei Norderney gehabt. Es wurde der Hafen ausgebaggert und Sand für die Aufspülung am Nordstrande gefördert. Später lief das Fahrzeug nach Norddeich, um dort zur Schlickbeseitigung eingesetzt zu werden. Nun freute sich die Besatzung auf das Weihnachtsfest, das zusammen mit den Angehörigen im Heimathafen Kiel gefeiert werden sollte. Ein kleinerer Schlepper brachte das Fahrzeug bei ziemlich bewegter See, zusammen mit einer Kohlenschute, vor die Insel. Dort sollte ein Hochseeschlepper erwartet werden, in dessen Schlepp man beabsichtigte, die glückliche Heimreise anzutreten. Da das angekündigte Schiff jedoch vorerst nicht in Sicht kam, wurde Anker geworfen. An dieser alten Stelle lagen die beiden Fahrzeuge auch noch, als in den Abendstunden der Wind aus Nordwest weiter auffrischte und das Rettungsboot sicherheitshalber auslief, um die Situation zu erkunden. An Bord war jedoch alles wohl, nur der Schlepper blieb aus. Um weitere Meldungen über seine Position zu hören, kehrte das Boot wieder zur Insel zurück. Immer stärker aber wurde der Sturm. Von einem ungewissen Gefühl getrieben, machten sich die braven Rettungsmänner abermals auf den mühsamen Weg. Die Schiffe waren nun nicht mehr zu sehen, weit und breit nur die aufgewühlte Nordsee. Es mußte nun angenommen werden, daß die Fahrzeuge von dem erwarteten Schlepper abgeholt seien - kein Mensch konnte ahnen, daß sich in der pechschwarzen Nacht bereits ein furchtbares Drama vollzogen hatte. Es war beiden Schiffen nicht möglich gewesen, dem Sturm zu widerstehen. Von der Verankerung losgerissen, trieben sie dem Verderben preisgegeben, in der mächtig bewegten See. Mit neun Personen an Bord wurde der Bagger "Löwe" auf die gefährliche Sandbank im Dove-Tief geschmettert und später umgeworfen. Unter übermenschlichen Anstrengungen gelang es einem Teil der Besatzung, sich an der Bordwand festzuklammern, ständig den Tod vor Augen, und ohne die Möglichkeit zu haben, Rettungssignale zu geben. Erst beim Hellerwerden bemerkte die Seenotdienststelle auf der Georgshöhe ein gestrandetes Fahrzeug. Die Alarmierung des Rettungsbootes erfolgte sofort. Man erkannte jedoch statt der ursprünglich vermuteten Schute bald das Wrack des Baggers, von dem aus die nahezu erstarrten Schiffbrüchigen mit letzter Kraft Winkzeichen gaben. Bei schweren Brech- und Grundseen, die das tapfere Rettungsboot ständig überfluteten, gestaltete sich die Rettungsaktion außerordentlich schwierig. Nur unter rücksichtslosestem Einsatz des eigenen Lebens und mit meisterlicher Ausnutzung aller seemännischen Möglichkeiten gelang es den Helfern, sich an das Wrack heranzuarbeiten. Durch hinübergeworfene Leinen, die sich die Schiffbrüchigen um den Leib banden, konnten die Ueberlebenden nach einer furchtbaren Nacht in Sicherheit gebracht werden. Drei Besatzungsmitglieder aber gab die Nordsee erst in den folgenden Tagen als Leichen, die am Strande antrieben, frei.

Inselwinter auf Norderney! Wohl selten liegen die Gegensätze so nahe beieinander, wie hier. Technik und Kultur formten das eiländische Fischerdorf zu einer modernen, strahlenden Stadt zwischen Watt und See; die Wintermonate voller Weltabgeschiedenheit gehören der Vergangenheit an. Noch immer aber währt das Ringen des Menschen gegen die Fluten - heute wie seit Jahrtausenden. -

Ruder-Rettungsboot "Fürst Bismarck"
Ruder-Rettungsboot "Fürst Bismarck"

NBZ - Weihnachtsbadekurier 1952 Hilfe/Info Logo der Chronik © 2002-2024 H.-H. Barty Seitenanfang