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Weihnachtsausgabe Badekurier 1953
 
Seite 11

Plötzlich sah er hart an Steuerbord etwas treiben. Er riß seinem Hintermann den Riemen aus der Hand und pullte es sich heran. Das war schwierig, und es war bei dem Seegang nicht leicht, dieses Etwas an Bord zu bringen, aber es wurde geschafft. Es war der fast leblose Körper der kleinen Antje. - Nachdem sie wieder zu sich gekommen war, nahm Jann seine Joppe, wickelte sie hinein und legte sie mitten ins Boot.

Und in dieser schicksalsschweren Stunde schwor er den beiden Toten, die sich der Wattenkönig geholt hatte, Antje zu einer rechten Fischerstochter zu erziehen.

Es klarte auf, und die Sterne kamen. Still, klar und unschuldig blickten sie herab auf den Schauplatz der Tragödie, die sich noch vor wenigen Minuten hier abgespielt hatte.

Dem Menschen ist sein Leben alles. - Doch was ist eilt Menschenleben in diesem großen Raum? Nichts! Die See fordert ihre Opfer und - bekommt sie.

LeuchtturmSo siedelte Antje in das Haus des Steuermannes Jann Raß über. In der ersten Zeit weinte sie öfter. Die Eltern und Wind und Wellen, die an Bord ihre Spielgefährten gewesen waren fehlten ihr. Aber dann wurde sie zutraulicher, zur größten Freude der jungen Frau Raß, die selbst noch keine Kinder hatte. Und so wuchs sie heran zu einem schmucken, ansehnlichen Mädchen. Sie lernte von Jann Raß, wie man burte (Aale angelte), Aalkörbe auslegte, Netze flickte, spliss und knotete (Taue flocht). Sie wurde eine echte Fischerstochter. Auch wanderte sie, zuerst in Begleitung ihres Pflegevaters, dann allein, hinaus aufs Watt und suchte Miesmuscheln, Seesterne und Seeigel. Aber bis nach Nebelsand war sie noch nicht gekommen. Bis dahin wagte sie sich nicht, denn ihre Pflegemutter hatte ihr erzählt, daß dort der Wattenkönig wohne, der seine Nebelfrauen ausschicke, um die jungen Menschenkinder einzufangen. So mied sie Nebelsand, das ziemlich weit draußen lag.

Einmal - es war Anfang Oktober, Antje mochte vierzehn Jahre alt sein - nahm Jann Raß sie mit dorthin. Das Wrack der "Antje" lag noch wie damals, nur verfallener war es und ganz grün von Algen, aber das Eichenholz hatte standgehalten. Er kletterte hinauf, Antje blieb unten, sie wollte nicht mit. Nach einer ihr fast endlos erscheinenden Zeit stand er wieder neben ihr. Er hatte nichts gefunden. Die See hatte damals ganze Arbeit geleistet. Sie wollten den Heimweg antreten, denn es dämmerte schon. Plötzlich stieg es aus den Prielen. Lautlos kamen Gestalten aus dem dampfenden Schlickboden gekrochen und fingen an, immer toller, immer närrischer zu tanzen. Nun hatten die beiden schon die Sicht verloren. Antje hatte sich an Jann geklammert.

"Wer sind die?"

"Das sind die Nehelfrauen, mein Kind, die wollen uns fangen. Doch ich weiß den Weg. Komm! Siehst du hier die Baken? Die müssen wir entlang gehen, dann kommen wir sicher nach Hause!"

In einer guten Viertelstunde hatten sie gewonnen. Antje aber ging in der ersten Zeit nicht wieder aufs Watt.

Es war drei Jahre später, der September wollte zu Ende gehen. Am Tage war es noch warm gewesen, gegen Abend wurde es kühler.

Antje hatte schon öfter an den Schmuck gedacht, den die Mutter so oft angetan. Er mußte doch noch da sein. Sie erinnerte sich ganz deutlich an ihre geschmückte Mutter. Obwohl sie damals noch klein gewesen war, hatte sie sich jedesmal gefreut, wenn die Mutter den Schmuck anlegte, und dieses und jenes Stück hatte sie wohl auch selbst einmal tragen dürfen. Ja, daran erinnerte sie sich noch ganz genau. - Heute wollte sie zum Wrack, um den Schatz zu suchen, aber kein Mensch durfte darum wissen.


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