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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Weihnachtsausgabe Badekurier 1955
 
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WandernAuch ein Seebad kann eine interessante Geschichte haben, die, wie bei Norderney, über mehr als ein Jahrhundert zurückgeht. 1797 wurde das von ärmlichen Fischern und Seeleuten bewohnte Dorf als erstes Seebad an der deutschen Nordseeküste gegründet. Ein weitblickender Arzt und die Förderung des Bades durch das hannoversche Königshaus sicherten seine erste Entwicklung. In den alten Kurlisten bis zum Untergang des Königreichs Hannover im Jahre 1866 finden wir fast regelmüßig unter den Kurgästen die Königsfamilie mit ihren Hofstaat verzeichnit, die hier eine eigene Sommerresidenz hatte. Viele berühmte Persönlichkeiten suchten Norderney auf. Blücher, der zeitweise in Emden stationiert war, huldigte hier dem Glücksspiel. Bismarck, der 1844 und 1853 einige Zeit auf Norderney verbrachte, lobte den schönen Strand, die anregende Gesellschaft und die "einförmige, aber gesunde Lebensweise" der Badegäste. In den Mittelpunkt der Reichspolitik rückte Norderney unter der Kanzlerschaft des Fürsten Bülow, der hier, wie in jedem Sommer mehrere Wochen verbrachte. Da Fürst Bülow viele wichtige politische Angelegenheiten in Norderney bearbeitet und entschieden hat, kam der Insel damals die Bedeutung zu, wie sie heute Mürren oder die Bühler Höhe durch die Aktivität des Bundeskanzler während seines Ferienaufenthaltes bekommen haben. 1904 wurde durch Fürst Bülow in Norderney der für Deutschland günstige Handelsvertrag mit Rußland zum Abschluß gebracht. Im Sommer 1909 hatte Fürst Bülow auf Norderney eingehende Gespräche mit Walter Rathenau über die Wirtschaftspolitik und über die Möglichkeit einer Verbesserung der Beziehungen zwischen England und dem Deutschen Reich. Diese Norderneyer Gespräche sind leider nur wenig bekannt, obwohl sie Probleme zum Gegenstand hatten, bei deren günstiger Lösung Deutschland viel Leid hätte erspart werden können. Auch Stresemann weilte oft in Norderney, das sowohl in der Kaiserzeit wie während der Weimarer Republik ein Treffpunkt der deutschen Prominenz war, wenn gleichzeitig daneben auch immer ein breiter Besucherstrom aus allen Volksschichten das Nordseeheilbad aufgesucht hat. Die gesellschaftliche Umschichtung Deutschlands hatte ihre starken Rückwirkungen auf Art und Zusammensetzung der Besucher Norderneys. An Stelle der Einzelreisenden traten zunächst KdF­Transporte, und heute bilden die Teilnehmer an Pauschalkuren und Reisegesellschaften einen gewissen Teil der Besucher. Diese beiden Einrichtungen haben sich als sehr nützlich erwiesen, denn sie nehmen dem Reisenden die Sorge um Verpflegung, Unterkunft usw. ab, ohne einen unnötigen Zwang auszuüben, und sichern gleichzeitig den Hotels und Pensionen eine gewisse Besucherzahl und damit die wirtschaftliche Existenz. Mancher Teilnehmer an einer Gesellschaftsreise hat sich auch wieder zum Einzelreisenden zurückentwickelt. Nachdem es ihm in seiner Pension gefiel und er persönlichen Kontakt mit seinen Wirtsleuten gefunden hatte, traf er mit ihnen direkt Abmachungen über einen späteren Ferienaufenthalt.

WaldNorderney bietet aber auch durch seine Heilkraft, seine Kuranlagen und vielseitigen Darbietungen alle Voraussetzungen dafür, wieder der sommerliche Treffpunkt einer gesellschaftlichen Elite zu werden. Wenn wir in der letzten Zeit so oft von der Notwendigkeit der Bildung einer Elite auch in einem demokratischen Staatswesen hörten, dann muß auch gesagt werden, daß eine Elite nicht nur geistiger Mittelpunkte bedarf, sondern auch örtlicher Treffpunkt, in denen sie sich einmal fern dem sonstigen Wirkungskreis auf gesellschaftlicher Ebene zusammenfindet, wie es in Norderney bis in die Weimarer Zeit schon seit über einem Jahrhundert geschehen ist.

Eine Erörterung über die schöne Nordseeinsel darf nicht ohne einen Seitensprung in die deutsche Literatur abgeschlossen werden, der sie manche Anregung gegeben hat. Kaum ein anderer deutscher Dichter hat die Nordsee so geliebt wie Heinrich Heine, der 1825 und 1826 auf Norderney weilte. Ihm bedeutete das Meer ein großes, tiefes Erlebnis, das in seinen Dichtungen einen starken Widerhall gefunden hat. Im "Buch der Lieder" stehen folgende tief empfundene Zeilen, die auch jeden Reisenden, der nach kurzem Ferieuaufenthaft den Nordseestrand wieder verlassen muß, aus der Seele gesprochen sind:

Tief unter uns in's dunkle Meer,
versank die schöne Sonne:
die Wogen rauschten drüber hin,
mit ungestümer Wonne.
Oh weine nicht, die Sonne liegt
nicht tot in jenen Fluten:
sie hat sich in mein Herz versenkt
mit allen ihren Gluten.


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