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Weihnachtsausgabe Badekurier 1955
 
Seite 10

Winterkuren an der Nordsee - ein Paradoxon?

Von Dr. med. Lasius, Badearzt

WellenbadDie landläufige Ansicht ist doch wohl überall die, daß man allein im Hochsommer, im Juli - August, an der See im warmen Sand oder im Strandkorb schmoren und sich in Brandung und Dünen tummeln und erholen kann.

Aber im Winter, "in Sturm und Eis" an die See? Vielen Dank! Ins Gebirge zum Skilaufen! Ja, das ist das Richtige und einfach ideal!

Wer so spricht, denkt nicht daran, daß erst vor wenigen Jahrzehnten einzelne wagemutige Wanderer, ausgerüstet mit Pelz und Wolle, von allen "Einsichtigen" verlacht und gewarnt, es unternommen haben, mitten im Winter die einsamen Höhen des Schwarzwaldes und der Alpen zu erklimmen. Sie überzeugten sich selbst und bewiesen es Ungläubigen, daß ein Winteraufenthalt im Hochgebirge nicht nur kein unsinniges Wagnis, sondern im Gegenteil ein unvergleichliches Erlebnis und eine Kur für Leib und Seele bedeutet!

Heute ziehen die Scharen der Skiläufer zu Hunderttausenden im Winter ins Gebirge und kommen gestärkt und braungebrannt zurück in ihre grauen Städte. Jeder kennt auch Kurorte im Hochgebirge wie Davos, Arosa und St. Blasien und viele andere, in denen selbst Schwerkranke Heilung finden.

Aber man wird deshalb doch nicht ernsthaft behaupten, daß man nun auch, sei es erholungsbedürftig oder krank, ebensogut im Winter an die Nordsee reisen könne? Nicht ohne Weiteres. Aber es gibt doch Parallelen und Tatsachen, die auch Skeptische nachdenklich machen.

Unser Titel spricht von Winterkuren, gemeint sind Heilkuren bei bestimmten Krankheiten. Wenige wissen, daß die Nordseebäder als Heilbäder eine ansehnliche ärztliche Tradition besitzen. Norderney zum Beispiel wurde bereits 1797 auf Betreiben eines hervorragenden Arztes, Dr. v. Halem, von der ostfriesischen Regierung in Aurich als Heilbad begründet zu dem ausdrücklichen Zweck, Kranken Heilung zu bringen. Und lange bevor die Bergwelt erschlossen und ihr Heilwert erkannt wurde, machte ein anderer weitblickender Arzt, der Marburger Pathologe Professor Benecke, im Jahre 1880 ­ 1881 die erste Ueberwinterung auf Norderney mit 53 Patienten! Dem begeisterten Bericht Beneckes über seine ärztlich geleitete Winterkur verdanken die Nordseebäder die Einsicht, daß ihre Heilmöglichkeiten nicht auf den Sommer beschränkt sind, sondern daß sie auch im Frühjahr, Herbst und sogar im Winter bestehen. Benecke war es übrigens auch, der Nauheim groß gemacht hat durch seine Erkenntnis, daß die dortigen Quellen mit ihrem verschieden starken Kohlensäuregehalt Herzkranken heilsam sind. Dieser seiner Entdeckung hat Benecke in langen Kämpfen gegen die gesamte damalige Aerztewelt zur Anerkennung verholfen und Nauheim den Weg zum Weltbad gewiesen.

Doch zurück zur Nordsee. Gibt es wirklich besondere, unverwechselbare Eigenschaften des Nordseeklimas? Ja, ganz bestimmt! Betrachten wir einmal die Heilfaktoren: Luft, Licht, Wasser.

Was jeder spürt, wenn er auf der Insel atmet, ist wissenschaftlich exakt bewiesen: die unvergleichliche Reinheit der Luft. Ueber großen und kleinen Städten, ja selbst auf dem flachen Lande, besonders natürlich über den Industriegebieten, lagern Dunstglocken, die bis in große Höhen (2 - 3.000 m hoch) reichen und schon mit bloßem Auge aus dem Flugzeug leicht erkennbar sind. Sie bestehen aus Staub, Ruß, Kohle, Abgasen von Autos und vor allem aus Industrieschornsteinen und Hochöfen und bringen bei besonderen Wetterlagen mit Windstille und Wärme bestimmten Kranken, z. B. Asthmatikern, erhebliche Gefahren. Aber auch der Gesunde, der in solchem Milieu lebt, kann sich der schädlichen Einwirkung der schlechten Luft auf die Dauer nicht entziehen.

Genaue Untersuchungen mit sehr empfindlichen Apparaturen durch Cauer auf Norderney haben nun 1953 einwandfrei erwiesen, daß die Luft auf der Insel in Strandnähe (bis 150 m vom Meer) weder Staub, noch Kohle, Ruß, Kohlenoxyd, Ammoniak und Miefstoffe enthält. Diese stickstoffhaltigen Miefstoffe waren an Hunderten von Plätzen in Deutschland bei gleichen Untersuchungen vorhanden. Die Seeluft ist außerdem feucht, was für Erkrankungen der Atemwege ein besonderer Vorteil ist. (Feuchtigkeitsgehalt an der Nordsee 86 Prozent, in Berlin und München 75 Prozent.)


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