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Weihnachtsausgabe Badekurier 1956
 
Seite 6

Ein Bericht aus alten Zeiten:

Weihnachtssturmflut 1717

gegeben von Dr. A. Lang
Aus einstigen Schreckensstätten wurden Bastionen des Friedens

Nicht immer ist das Christfest in Ostfriesland ein Tag stiller Einkehr und besinnlicher Freude gewesen. Hungersnöte, Sturmfluten und Kriege haben auch an der friesischen Küste mehr als ein Mal über den großen Festtag tiefe Schatten gebreitet. Keine Weihnacht aber prägte sich tiefer in das Gedächtnis des ganzen friesischen Volkes ein, als die des Jahres 1717, da die schrecklichste Flutkatastrophe, die jemals das gequälte Land am Meer heimsuchte, in wenigen Stunden all das verwüstete, was Generationen in entsagungsvoller Arbeit aufgebaut hatten, und die aufgepeitschten Wassermassen mit nie gekannter Urgewalt ganz Friesland von der Zuider Zee bis Dänemark in namenloses Elend rissen.

Einige wenige, die die bedrückende Gabe des zweiten Gesichts besaßen, hatten lange zuvor die Katastrophe vorausgesagt. Hinrich Peters, ein Hofpächter hinter dem Deich bei Dornum, klagte Wochen vorher bei einem Gang über seine Aecker stöhnend seinem Knecht, das Gehen falle ihm schwer, "weil er bis an den Hals in Wasser ginge". Anderen erschienen nachts im Traum ganze Ortschaften, die bis zu den Dächern im Wasser standen, wähnten sich und ihre Familien in der Christnacht gestorben oder sahen die Schiffe mit vollen Segeln über die Deiche stürmen. Aber niemand hörte auf sie. Selbstsicher tat man ihre quälenden Worte als dummes Geschwätz ab, trieb seinen Spott mit ihnen, ja, zerrte einen von ihnen sogar wegen Verbreitung unwahrer Gerüchte vor Gericht.

Sorglos war man am 23. Dezember seiner gewohnten Arbeit nachgegangen. Zwar stürmte es den Tag über heftig aus Südwest, aber was bedeutete dies schon; kannte man doch ohnehin an der Küste nur neun windstille Tage im Jahr! Und an Winterstürme war man seit eh und je gewöhnt. Am Spätnachmittag drehte der Sturm allerdings nach Westen, nach Sonnenuntergang schließlich weiter auf Nordwest, von wo schon so mancher Orkan dem Lande und seinen Inseln unendlichen Schaden zugefügt hatte. Als dann aber gegen Mitternacht der Sturm allmählich abflaute, begaben sich selbst Aengstliche zur Ruhe, zumal eine Springflut erst in einer Woche zu erwarten war.

Unvermutet aber erhob sich zwischen 1 und 2 Uhr nachts der Sturm aus Nordwest erneut, diesmal jedoch mit ungeheurer Wut. Obwohl erst gegen 6.30 Uhr früh in Emden Hochwasser zu erwarten war, strömte schon um 2 Uhr nachts das Wasser durch alle Straßen der Stadt. Ein rasender Orkan peitschte die sich hoch auftürmenden Wassermassen einen halben, einen, ja eineinhalb Meter hoch über die Deiche, machte sie an ungezählten Stellen dem Erdboden gleich und fiel reißend, tobend, geifernd über das ahnungslose, in tiefes Dunkel gehüllte Land her. In knappen drei Stunden waren nicht weniger als 1.500 qkm kostbaren Marschbodens in Ostfriesland von einer einzigen, wild erregten See bedeckt.

Weihnachtsflut 1717Zu nebenstehendem Bild: Bis nach Süddeutschland drang seinerzeit die Kunde von der Katastrophe der Weihnachtsflut 1717. So gab in Nürnberg der kaiserliche Kartenverleger Naumann ein vielbeachtetes sorgfältig koloriertes Kartenblatt mit dem Titel "Geographische Vorstellung der jämerlichen Wasser-Flutt in Nieder-Teutschland in der heiligen Christnacht 1717" geraus. Die bisher noch unveröffentlichte Reproduktion stellte uns der Verfasser des Beitrages, Dr. Lang, zur Verfügung. Dr. Lang, dessen Bedeutung als Altkarten- und Küstenforscher vor Jahresfrist durch seine Berufung an die Universität Göttingen unterstrichen wurde, ist vielen unserer Gäste durch seine regelmäßigen Norderney-Vorträge bekannt geworden.


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