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Insel Norderney

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Weihnachtsausgabe Badekurier 1956
 
Seite 8

MühleAm schwersten hatte unzweifelhaft Juist gelitten. Hier drang plötzlich von Süden her die rasende Flut in das Westdorf, riß die Hälfte der Häuser - darunter fünf mit allen Menschen und sämtlichem Vieh - mit sich fort und beschädigte die übrigen so schwer, daß nur Ruinen übrig blieben. Eine Seitenmauer der Kirche stürzte ein, andere wurden unterspült. Fast die Hälfte der Einwohner des Westdorfes kam in den Wellen um. Am Strand der Insel trieb vier Tage später das Achterdeck eines großen englischen Kriegsschiffes, das am 24. Dezember wiederholt unbeachtete Notschüsse abgegeben hatte, mit 19 Mann an. Die übrigen 164 Besatzungsmitglieder hatten den Tod in den Wellen gefunden.

Auf allen Inseln waren reihenweise die Dünenketten der tobenden See zum Opfer gefallen, ja Juist war durch eine tiefe Rille durch die von da an fast jede gewöhnliche Flut strömte, in zwei Teile zerrissen.

Die aus höchster Not mit dem Leben davongekommen waren, wußten mit stockender Stimme Schreckliches zu berichten: Der Dornumer Kaufmann Heike Müller hatte nachts, da er wegen des Orkans keinen Schlaf finden konnte, seinen Knecht zum Deich geschickt um feststellen zu lassen, "wie es daselbst aussehe. Der aber kam eilends zurück und berichtete, daß die Fluten über die Deiche gingen und ihm bereits begegnet wären. Während er noch berichtet, strömt schon das Wasser ins Haus, weil es wie hohe Berge und Häuser daher rollt." Alle Hausinsassen flohen in letzter Sekunde entsetzt auf den Boden des Hauses. Eine Mauer stürzte ein, Welle auf Welle schlug über das Dach. Ihr Ende vor Augen, umarmten und küßten sich die Gatten und Kinder und nahmen jammernd Abschied voneinander. Trotz zunehmender Lockerung hielt jedoch der Dachstuhl dem Druck der Wogen stand. Anderen Tags konnte die ganze Familie mit ihrem Gesinde - völlig durchnäßt und halb erfroren - durch ein Boot auf das Schiff eines Verwandten gerudert werden, auf dem sie noch neun bange Tage in Angst und Schrecken ohne Nahrung und unter quälendem Durst verbleiben mußte, ehe sie endlich wieder festes Land erreichte.

Durch das Donnern der Fluten wurde im gleichen Ort der Mühlenpächter Johann Tönjes aus dem Schlaf gerissen, die in seinem Hause "wie ein siedender Topf aufquollen und immer höher stiegen", so daß er in höchster Eile noch gerade auf einen Schrank zu flüchten und auf diesem stehend mit seinen Schultern die Zimmerdecke aufzubrechen vermochte, um sich als einziger der Familie zunächst auf dem Boden zu bergen, während die jammernde Frau mit seinen vier kleinen Kindern vor seinen Augen im gleichen Zimmer ertranken oder durch die einstürzenden Hausmauern erschlagen wurden. In letzter Not fand er Zuflucht auf seiner Mühle, die mit dem einstürzenden Haus in Verbindung stand. Die Leichen seiner Kinder fand er später verstreut in der Umgebung des Dorfes wieder; seine Frau aber blieb verschollen.


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