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Weihnachtsausgabe Badekurier 1956
 
Seite 9

Bei Harlingersiel trieb ein Schiff von etwa 180 BRT durch Sturm und Wellen über den Seedeich, strandete, wurde weiter landeinwärts fortgerissen, jagte über zwei Binnendeiche und geriet endlich mehrere Kilometer südlich vom Siel an einem vierten Deich fest, von wo es sich nicht wieder abbringen ließ.

Drei Tage tobte der Sturm mit unverminderter Heftigkeit, ohne daß das Wasser nennenswert fiel. Erst nach und nach wich es zurück, ein Land freigebend, das einen schier unbeschreiblichen Anblick bot. Die wertvollen Marschen waren, wohin das Auge blickte, mit regellos verstreuten Trümmern untergegangener Orte und Gehöfte, mit zahllosen Leibern ertrunkener Menschen und den Kadavern von Pferden und Kühen bedeckt. Mehrere Dutzend Deichbrüche wurden gezählt; allein im kleinen Harlingerland östlich von Norden waren die Deiche nicht weniger als an 54 Stellen durchbrochen. Zwei blühende Dörfer mußten den Fluten endgültig preisgegeben werden: Betteweer bei Emden, ein Kirchdorf, das etwa 100 Jahre zuvor aus dem gleichen Grunde bereits einmal vor den grausamen Wogen hatte zurückverlegt werden müssen. Jetzt war es für ewige Zeiten ausgelöscht. Das andere, Itzendorf, lag bis dahin in nächster Nähe Norddeichs. Heute erinnert lediglich die Itzendorfplate im Watt daran, daß hier bis 1717 ein bedeutendes Dorf existierte.

Erheblich waren die Verluste an Menschenleben. In Ostfriesland waren insgesamt 2.734, in ganz Friesland etwa 10.800 Menschen umgekommen. Fast 5.000 Häuser hatte die Weihnachtsflut fortgerissen und weit über 3.000 beschädigt. Allein in Ostfriesland bezifferte man den Verlust an Vieh auf etwa 15.000 Stück.

Das ganze Land stand am Rande des Verderbens, ja die Größe des Unglücks kam einer nationalen Katastrophe gleich. Die Wiederherstellung der ungeheuren Schäden ging für Jahrzehnte über die Kraft des schwer geprüften Landes, zumal die nächsten Jahre zu allem Unglück noch zweimal ungewöhnlich schwere Sturmfluten mit sich brachten, die zum großen Teil die bescheidenen Anfänge der Deichreparaturen wieder zunichte machten. Schließlich aber triumphierte doch der zähe Lebenswille der Friesen. Der "Goldene Ring", wie in einem friesischen Landrecht des 13. Jahrhunderts die Deiche genannt werden, wurde wieder hergestellt und unter unsäglichen Opfern in gemeinsamer jahrzehntelanger Arbeit kräftiger und höher aufgeführt, als er je gewesen. Langsam verschwanden die Bilder des Grauens und der Verwüstung. In seinem Schutz erblühte allmählich erneut das friesische Leben, wie es immer gewesen war. Hinter den grünen Deichen, die nun wieder das ganze Land mit seinen freundlichen Dörfern und Feldern, seinen geschäftigen Sielorten und kleinen Häfen umklammerten, spielten wie einst wieder die sorglosen Kinder und gingen wie ehedem die Bauern und Fischer still in sich gekehrt ihrer schweren Arbeit nach.

Die Weihnachtsflut aber blieb tief im Gedächtnis der ganzen friesischen Bevölkerung Generationen lang eingegraben. Sie zählt bis auf den heutigen Tag zu den schmerzvollsten und unvergeßlichen Erinnerungen unserer Heimat am Meer.


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