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Insel Norderney

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Weihnachtsausgabe Badekurier 1959
 
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Vision an einen Winterabend

Im FischerhausmuseumEs war eigentlich mehr ein Zufall, der mich jetzt wieder auf das Eiland geführt hatte. Im Grunde genommen wollte ich auf dem Festland bleiben. Schon vorher aber war der Nebel immer dichter geworden und hatte sich schließlich in undurchdringlich erscheinenden Schwaden vor das Scheinwerferlicht des Wagens geschoben. Als dann plötzlich ein Straßenschild vor mir auftauchte, das zum Deich wies, beschloß ich, noch ein paar Kilometer weiter bis zur Mole zu fahren. Ich kannte die Insel, zu der man von hier aus übersetzen kann, denn als Kind war ich hier manchmal mit meinen Eltern gewesen, und ohne lange zu suchen, fand ich nach kurzer, ruhiger Schiffsfahrt an diesem dunklen Nachmittag das Haus wieder, in dem ich einst gewohnt hatte. Dann war ich plötzlich in demselben Raum, in dem ich damals geschlafen hatte mit meinen Eltern! Rasch schaltete ich das Licht wieder aus und öffnete das Fenster, um die See wie damals zu sehen. Aber dort stand wieder der Nebel, jetzt sogar unmittelbar vor mir, noch undurchsichtiger, noch stiller als vorher. Nicht mehr durch die Autoscheibe sah ich diesen dichten und dennoch ungreifbaren Stoff, der Nebel heißt, sondern ich war gewissermaßen mitten hineingeraten in dieses Element. Ich fühlte, wie mein Gesicht feucht wurde, wie ich den Nebel einatmete und wie ich fast aufgesogen wurde von diesem scheinbar wesenlosen Nichts. Mein Ohr suchte nach dem Geräusch der Wellen. Aber da war nur ein dumpfes Aufschlagen von Wasser, so als wenn eine Wanne zu voll wird und von Zeit zu Zeit überschwappt. Der Wind schien unterdes völlig zur Ruhe gekommen zu sein. Irgendwo draußen - es war ziemlich weit fort - hörte man alle paar Minuten eine Heulboje, dumpf und doch wieder beruhigend zugleich.

Erst jetzt sah ich, daß der Nebel nicht überall gleich dicht war. Von Osten her begann er dünner zu werden. In regelmäßigen Abständen schien er auch von einem ganz leichten Lichtschimmer durchzogen zu werden. Narrte mich Einsamen eine überspitzte Phantasie? Doch da fiel mir ein, daß in dieser Richtung der Insel - Leuchtturm stehen müsse. Die Stille war grenzenlos. Nirgends hörte man ein lebendes Wesen. Ein Gefühl besonderer Art überfiel mich wie ein Schauer. Es kamen mir die Menschen in den Sinn, mit denen ich sonst abends zusammen war. Ich dachte an meine Arbeit am Tage. Und auf einmal: das etwas hastige Bemühen, mein Werk und meinen Wirkungskreis immer mehr zu vergrößern, das Hetzen und Hasten, der tägliche Aerger mit den Widrigkeiten des Lebens, alles das erschien mir plötzlich unsinnig. Jeder meiner Tage war bis zum Bersten ausgefüllt mit diesem Rasen und Rennen - und hier war nun vor mir eine Stille, die einfach aus sich selbst existierte und nicht faßbar war für mich - sie kam aus dem Unendlichen und sie ging ins Unendliche.

Was tat ich denn bisher eigentlich wirklich Wesentliches? Irgendwo in mir höhnte eine Stimme: "Sich mal, so ist das, wenn der kleine Mensch einmal ganz allein vor der Größe der Natur steht". Und nach einer Weile quälte es weiter: "Mancher denkt in solchen Augenblicken an das große, ewige Schicksal des Menschen, an Gott; aber darum hast du dich ja schon lange nicht mehr gekümmert".


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