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Weihnachtsausgabe Badekurier 1959
 
Seite 8

Im Grunde ist das Watt eine seewärts leicht abfallende Ebene. Aber sie ist ja keineswegs glatt und faltenlos, sondern durchwebt von seltsamen Schnörkeln und Runen: Rinnsale, Priele und Baljen bilden ihr zum Wasser hinzielendes eigentümliches Muster. Da und dort ragen Sandbänke auf, die auch bei normalem Hochwasser nicht unterlaufen. Sie bilden einsame und deshalb begehrte Brut- und Rastplätze der Seevögel.

Der Boden des Wattenmeeres besteht aus Sinkstoffen, welche das Meer immer neu heranträgt und während der Zeit des Stillwassers ablagert. So bilden sich Schlick- und Sandwatt oder auch ein Gemisch von beiden. Seine Oberfläche wird unter dem Einfluß von Wind und Wasser ständig neu geformt - Wellen, Rippeln und Schollen entstehen, zumeist als Strömungs- oder Seegangsrippeln.

Der Formenreichtum und die Entstehungsweise dieser Bodengestaltungen sind sehr vielfältig und verschieden; doch in dieser Landschaft des ewigen Wechsels gibt es nichts Bleibendes. Gezeiten und Wellenschlag formen es ständig um - doch so verschiedenartig es sich auch darbietet: immer verdankt es sein Aussehen den Kräften des Windes und der Wellen!

Sobald die Flut kentert und das Wasser abläuft, fallen zuerst die hohen Sandrücken trocken. Unermüdlich aber rinnt das Wasser noch weiter von den Sänden, in kleinen Äderchen, in eilenden Rinnsalen und dann in einem gurgelnden Priel, der wieder einer breiten und tiefen Balje zuströmt. In den manchmal tiefen Prielen jedoch fließt das letzte Ebbwasser dem Meere nach - und in ihnen steigt auch das erste Flutwasser wieder herauf. Sie füllen sich unheimlich rasch mit den Vorboten einer noch fernen Gezeitenwelle, laufen schließlich über und überfluten nun an seichten Stellen das Watt.

Hierin liegt eine der großen Gefahren für den unkundigen Wattwanderer! Denn während die Flut noch weit draußen ist und die hohen Watten trocken liegen, kann das dem Land näherliegende Gebiet von dem in den Prielen herangurgelnden Wasser überflutet werden und ihm den Rückweg versperren!

Das dem Land wie Meer gleicherweise verhaftete Watt beherbergt unzählige kleine Meerestiere. Schon der flüchtige Blick zeigt fast unübersehbare Lebensspuren: Winzige Fontänen schießen aus dem Sand, merkwürdiges Sandgekringel drängt zu Häufchen empor, seltsame Spuren stehen im Boden - und überall und nirgends steht ein geheimnisvolles Singen und Knistern. Die behenden Krebse und Krabben, die Seesterne und Schnecken bevölkern die Oberfläche, während die unbeweglichen Muscheln und Würmer im Meeresboden selbst hausen. Aber wenn der Sturm heult und schwere Brecher auf den Wattboden donnern, werden sie freigelegt und angespült: die flach hausenden Herzmuscheln, die tiefer wohnenden Plattmuscheln und die 30 cm tief im Sande verborgenen stattlichen Klaffmuscheln. Dicht an dicht liegen ihre hellen Schalen dann auf dem Sand. Eine Ausnahmeerscheinung ist die blaue Miesmuschel. Mit seidenfesten Fäden spinnen sich diese Tiere zusammen in riesigen Muschelbänken. Sie sind leicht zu ernten und werden am Rhein als "Seemuscheln" gern verspeist.

Über diesem ständig gedeckten Tisch des Meeres fliegen die Seevögel und schauen nach Leckerbissen aus. Hier fahnden die Möwen nach Muscheln und Schnecken, hier stöbern sie in Resttümpeln nach Granat, Fischchen und Krabben. Hier im weichen Watt stochern die Austernfischer, die Uferschnepfen und die Strandläufer mit ihren langen Schnäbeln nach dem verschiedenartigsten Gewürm. Und hier, weit draußen, auf den nur bei Niedrigwasser freifallenden Sandbänken, sonnen sich an den Prallhängen die Scharen der Seehunde, jene merkwürdigen Raubsäuger, welche sich vollkommen dem amphibischen Wattenreich anpaßten und in ihm zu Hause sind.

Erst hier draußen an den Robbenbänken wird einem die Schönheit - aber auch die Gefährlichkeit des Wattenmeeres besonders deutlich. Wenn das Wasser dann wieder in unübersehbarer Front herandrängt, ahnt man die planetarischen Kräfte, welche es bewegen und täglich neu formen.

Fritz Siedel


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