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Weihnachtsausgabe Badekurier 1961
 
Seite 8

Fürst BiilowDie ganze Zeit war ich mit Bülow zusammen. Tagsüber in offiziellen Sitzungen und nach dem Essen unter vier Augen oder in Gesellschaft der Gräfin Bülow, einer Italienerin (sie ist in ihrer Jugend sehr schön gewesen, ist sehr gebildet und eine große Musikerin). Wenn wir mit dem Grafen allein waren, sprachen wir über Politik, wenn auch die Gräfin dabei war, über allgemeine Themen. Es wurde viel verhandelt, schließlich kam man doch zu einer Einigung. Man kann nicht sagen, daß diese Einigung auf beiden Seiten ganz frei war. Auf unserer Seite war die Freiheit durch die Tatsache des Krieges und unsere geschützte westliche Grenze stark beschränkt.

Aus den Verhandlungen, die ich mit Bülow führte, bildete ich mir folgende Meinung: kein schlechter Mensch, schlau, nicht besonders tüchtig und nicht besonders klug, aber gewandt im Reden. Als Staatsmann eine Größe zweiten Ranges. Von seinen Mitarbeitern ist als hervorragend an Fleiß und Wissen nur der Graf Posadowski zu nennen. In Wirklichkeit habe ich mit ihm alle sachlichen Verhandlungen über den Vertrag geführt. Nachdem alles unterschrieben war, reiste ich am gleichen Tage nach Sankt Petersburg ab. An diesem selben Tage wurde Wjatscheslaw Konstantinowitsch Plehwe erschossen.

Fürst BiilowMan hat aus dieser Schilderung des großen Mannes nicht den Eindruck, daß er die Schönheiten Norderneys ausgekostet hätte. Fürst Biilow erzählt verschiedene Anekdoten von dieser Begegnung und sagt: "Seine Vorschläge waren immer praktisch, meist annehmbar. Als ihm einer der deutschen Delegierten einmal entgegenhielt, sie könnten einen Beschluß des Reichstages herbeiführen, durch den die Regierung aufgefordert würde, gerade in diesem Punkte den Russen nicht nachzugeben, entgegnete er: "Und ich kann mit einem kleinen Telegramm einen kaiserlichen Ukas erwirken, durch den alle unsere Forderungen um 400 Prozent erhöht werden. Laissons ces enfantillages!" Unvergeßlich ist mir eine kleine Szene aus einer der letzten Sitzungen im Norderneyer Kurhaus. Witte, der den Abend vorher in meiner Villa in angeregtem Gespräch bis spät in die Nacht zugebracht hatte, holte einen kleinen Zettel hervor und hielt dabei eine kleine Ansprache, in der er sagte: In Anerkennung des auch von deutscher Seite gezeigten guten Willens und um seiner persönlichen Sympathie für den deutschen Kanzler Ausdruck zu geben, wolle er uns freiwillig noch einige nicht ganz unbedeutende Konzessionen machen. Er hatte kaum diese Zugeständnisse verlesen, als der Unterstaatssekretär Wermuth, der neben mir saß, obwohl ich ihn durch sanften Druck meines Fußes auf seinen Stiefel warnte und zurückzuhalten versuchte, in sehr mangelhaftem Französisch erklärte: Wo die Russen in der Geberlaune wären, müßten die Deutschen noch vier oder fünf andere Wünsche zur Sprache bringen, die den russischen Zugeständnissen erst ihren vollen Wert verleihen würden. Witte erklärte kühl: J'ai voulu vous faire plaisir, mais comme vous semblez mal comprendre mes mobiles et mes intintions, je retire ce que j'ai dit."

So, wie die Zeit des High Life - die sich Heine gewünscht und der König verwirklicht hatte - wie die große Politik - als Witte und Bülow verhandelten - vergangen ist, so ist doch von all dem auch heute noch manche Erinnerung geblieben. Heute, da Norderney eine bisher nie erreichte Besucherzahl hat und einen neuen Strand im Ostbad, der schöner ist als alles Gewesene - heute läßt sich doch noch viel von der Vergangenheit finden, wenn man durch Norderney bummelt.

(Nach einer NDR-Sendung)


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