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Weihnachtsausgabe Badekurier 1961
 
Seite 19

Im Fischerhausmuseum"Es ist ein Brief drin", entschied Jürgen endlich, als er die Flasche noch einmal gegen das Lampenlicht hin und her gewendet hatte. Nun war auch die Mutter neugierig geworden. Durch den engen Flaschenhals würde man das Papier nicht herausziehen können, also schlug Jürgen die Flasche kurz entschlossen an der Tischkante entzwei. Aus den Scherben zog Jürgen einen engbeschriebenen zusammengerollten Bogen hervor, in dem einige große Geldscheine lagen. So viel Geld hatte er noch nicht gesehen und würde gewiß nie wieder auf dem blankgescheuerten Tisch dieser armen Hütte liegen.

Die Mutter setzte mit zitternden Fingern die Brille auf, dann entzifferten sie zusammen die leicht verwischten Schriftzüge, denn die Flasche enthielt einen kleinen Rest gelber Flüssigkeit.

Es war der letzte Brief des Kapitäns eines untergegangenen Schiffes und bekundete zugleich dessen letzten Willen. Das beigefügte Geld aber, bestimmte der Brief, sollte der Finder der Flaschenpost als Lohn erhalten, wenn er den Brief selbst sicher und ehrlich an den Empfänger weiterleiten würde.

Der Mutter drangen die Tränen in die Augen und sie sprach vom Vater, den die See behalten hatte, und vom Großvater, der in einem fernen Land verschollen war.

"Un du, mien Jung", seufzte sie und drückte ihren Jungen an sich.

"Ach, Moder, ick will ok to See, denn alle bliewen se je net."

Da lachte die Mutter unter Tränen und sagte, daß sie ihn nicht zurückhalten wolle, wenn er denn durchaus zur See müsse. Und sie dachte bei sich, daß das Blut doch ihren Jungen rufen würde, dem Großvater und dem Vater nachzufolgen.

"Und denn breng ick di ok Kokosnöten mit ut fremde Landen."

"Junge, Junge, dat sall wat worden."

Die Mutter betrachtete den Brief noch einmal, er war vor zwei Monaten geschrieben worden; schon längst würde die alte Schwester des auf der See gebliebenen Kapitäns nicht mehr an die Rückkehr des Bruders geglaubt haben, dessen Schiff gewiß als überfällig gemeldet war. Morgen noch würde sie den Brief an die aufgegebene Anschrift zur Post geben. Und sie dachte, daß jede Fahrt einmal für den Einzelnen zu Ende geht, aber immer neue Geschlechter sie erneut wagen und bestehen würden.

Und dann schickte sie Jürgen vor die Tür, und als sie ihn wieder hereinrief, brannten in der Inselhütte die Weihnachtskerzen. Draußen stieß der Wind gegen die Scheiben, und über die Dünen orgelte das Meer mit dumpfen Bässen.


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