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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
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Insel Norderney

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Weihnachtsausgabe Badekurier 1965
 
Seite 7

Auf dem Rücken liegend, den Sand durch die Zehen rieseln lassen, die Zeit vergeuden. Sonne und Seewind schmeicheln der Haut, die Lippen schmecken Salz. Der Brief, den man schreibt, wird verziert mit einem dicken, runden Klecks aus Sonnenöl, und dem Empfänger fällt beim Öffnen Sand entgegen. Weißer, feiner, glitzernder Sand. Seesand, Dünensand, Urlaubssand. Streut Sand, streut Urlaubssehnsucht ins Getriebe der Schreibmaschinen! Gruß aus Norderney. Ein Robbenbaby, das aus dem Wasser lugt. Sehr geehrter Chef... "Dies und jenes hat sich verschoben", sagte er, so nebenhin. "Sie können Urlaub machen. Fahren Sie. Wenn Sie wollen, fahren Sie morgen." - "Oh", sage ich zwischen Glück und Ladenschluß und schreibe auf einen Flugschein: Frankfurt - Athen - Rhodos. "Oh", sage ich, "das nenne ich eine Überraschung". - "Gratuliere", beugt es sich über die Theke, arosa-braun getönt. Der Flugschein - "Ach, Sie machen auch Urlaub?" Männlich strahlend versucht er den Einbruch in meine Intimsphäre. "Wie wäre es, wenn Sie, mein Fräulein - Flugschein zu zweit - ..." - "Danke", ebenso strahlend lächelnd scheuche ich ihn zurück. "Danke, ich teile nicht gern. Und außerdem, und außerdem", so sage ich, "ich fahre nach Norderney!"

Griechenland, ja, die Ägäis, ewiges Blau, Spanien, herrliches Badewetter, Esel und Andalusien, man kennt das. Größere Familien nach Ruhpolding, oder auch nach Mallorca, sehr bequem mit dem Flugzeug. Ich nehme den Schnellzug nach Norddeich, der immer so überfüllt ist, voller blasser, aufgeregt schwatzender Kinder, voller Koffer, an denen außen Bademäntel, Sonnenhüte, bunte Bälle kleben. In Norddeich auf der Mole, da setze ich mein Gepäck ab und atme einmal tief: die Salzbrise, das Meer, das Geschrei der Möwen, den Rauch, der aus dem Schornstein des kleinen Fährschiffs quillt, und ich freue mich, daß ich nun wieder da bin, in einer Stunde, in Norderney.

Sehen Sie, ich meine nicht das "Nordseeheilbad Norderney", das sich durch dies und jenes unterscheidet von Borkum, Juist, Langeoog, Spiekeroog, Wangerooge. Ich meine die Insel, auf der ich einmal, nein zweimal einen sehr, sehr schönen Urlaub verbrachte. Die Insel, die für mich all das ist: die Nordsee, die Dünen, die Brandung. So, wie manche Männer verzückt sagen: das ist das Auto. Oder manche Frauen, die es ganz sicher wissen müssen: das ist der Mann. Das Norderney von dem Schulhof unserer Volksschule, als ein Mädchen, das von einem Erholungsaufenthalt in einem Kinderheim zurückkam, stolz ein Säckchen hervorzog, aus dem sich eine Flut von Muscheln, Seesternen, Korkstücken ergoß, das ganze abenteuerliche Sammelsurium, das Strandgut darstellt. Und wir kleinen Binnenländer, die in dieser Zeit kurz nach dem Krieg noch so gar nichts von Urlaubsreisen wußten, wir schnupperten Ozean und große Schiffe. Wir strichen über die feine Granulierung der Muscheln, wir bestaunten das zarte, schillernde Perlmutt der Innenflächen, wir hielten das Gehäuse der Wellhornschnecke ans Ohr und hörten das Meer.


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