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Weihnachtsausgabe Badekurier 1965
 
Seite 9

Insulinde Nacht im KurhausGeht man ein Stück weiter, in die Dünen hinein, wird es allmählich stiller. Bald hört man nur noch das gleichmäßige Branden des Meeres, hier und da den Ruf eines Strandvogels. Weltverloren liegen die Dünentäler, in manchen steht noch die Glut des Mittags. Weich und warm streift der Sand die bloßen Füße. Dann ist eine Anhöhe da, eine Mulde zwischen Strandhaferbüschen, da bleibt man, träumt in den späten Nachmittag hinein. - Blendender Glast liegt über der See, verwischt den Horizont. Meer und Himmel fließen ineinander, zwei Blautöne auf nassem Aquarellpapier. Dünen und Strand sind gesättigt mit tiefem Gelb. Alles ist wach. Die Härten verlieren sich. Begrenzungen fallen weg. Jetzt gilt nur noch der Übergang. Ein warmes Glück. Glückblinzelnder Traum. Rosarot segeln Schönwetterwolken, dampft rosarot ein ganzes Geschwader dicker, bauchiger Schiffe. Seiner Majestät kaiserliche Flotte. Und da ist auch die Wilhelmine von der Pension, winkt, winkt ihnen zu aus dem Strandhafer. Und die blauen Jungs, sie schwenken ihre Mützen, rufen: Hipp, hipp, hurra! Und Hein kommt die Düne herauf, strandhaferblond, mit wasserblauen Augen und drei Fältchen rechts und links, die hat ihm der Nordwest in die Wiege gelegt. "Tag, min Deern", sagt er und spuckt seinen Priem in den Wind. "Du gefällst mir, min Deern!" Ganz bedächtig sagt er es, so, wie er seinen Grog rührt. Da wird sie rot.

Denn rot, purpurrot färben sich jetzt die Wolken. Minutenlang schwimmt die See in flirrendem, rötlichem Gold. Dann ist die Sonne weggetreten hinter die Kimm. Sehr rasch geht das. Und nur weit draußen liegt noch ein heller, warmer Glanz.

Und über dem Meer, platt auf dem Bauch, liegt der ungestaltete Nordwind. - Heinrich Heine

An der Mole ist der Sturmball aufgezogen. Dicht an dicht jagen Regenschauer heran. Die See ist eine einzige brüllende, grauweiße Masse. Nur manchmal lichtet sich die Wolkenwand. Dann sieht man weit draußen weiße Schaumkronen blitzen. Wütend toben die Brecher gegen das Strandwerk. Dann und wann wuchtet eine besonders schwere See heran, überstürzt sich aufgischtend, legt einen feinen, dichten Sprühregen über die Promenade. Jetzt fühlt man sich wohl in der Teestube. Gemütlich blubbert der große, alte Kachelofen. Die kupfernen Stövchen, die vor jedem Platz stehen, werfen eine warme, irrlichternde Glut auf die Gesichter. Wir zelebrieren den Tee nach echter friesischer Art, bedächtig und ein bißchen langstielig. Zuerst den Kandis in die Tasse, dannn langsam das heiße Gebräu darüber, genießerisch lauscht man dem Knistern der Kandisstücke. Jörn, der blonde Junge, der drüben bei der Bank arbeitet, macht sich an seiner Shagpfeife zu schaffen. Das mischt sich angelegentlich zu festlich dicken Schwaden, so daß man manchmal nicht mehr unterscheiden kann, ob das nun die Nebelfetzen draußen sind, oder der gute friesische Tabaksqualm. Eine verirrte Regenboe prasselt munter gegen die Scheiben. "Wer jetzt draußen ist", sage ich, "nur Nebelhexen und Klabautermänner." Strubbel äußert den heftigen Wunsch nach einem Klabautermann. Doch Jörn murmelt finster, das sei eine ernste Sache. Der Klabautermann erscheine immer erst, wenn das Schiff verloren sei. Dann hocke er auf dem zerbrochenen Steuer und glotze die armen Verlorenen aus glühenden Augen an. "Schrecklich", sage ich und stopfe ein großes Stück Teekuchen in mich hinein, denn Seeluft macht hungrig. "Und die Nebelhexen?" - "Die Nebelhexen", sagt Strubbel, "sind aller Wahrscheinlichkeit nach blond. Sie fahren durch den Schornstein und drehen mit braven Seeleuten einen munteren Twist". "Seefrauengarn!" grient Jörn, "aber ich kenne zwei, die sind nicht mal von hier, haben schwarze Haare und verdrehen hurtig braven Seeleuten die Köpfe. Wenn die sich erwischen lassen..." - "Wenn die sich erwischen lassen", lache ich ihn an, "dann spendierst Du noch zwei Tee, nicht wahr?"

Der Regen hat nachgelassen. An einer Stelle ist die Wolkendecke aufgerissen, und die Sonne jagt einen weißen, blendenden Keil über die Wogenkämme. Da kommt auch schon der frische Tee. Er duftet nach den Geheimnissen der sieben Weltmeere, und echt friesisch, bedächtig werden wir ihn nun zelebrieren.


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