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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Teil 4

Norderney Kurier (Serie erschien vom 03.06.2016 - 24.02.2017)

Noch heute wird das harte Umfeld anhand der steilen Stiegen deutlich

Es war für die Inselmühle Selden Rüst ein sehr weiter Weg bis heute, von 1862 bis 2016. Und selten waren es ruhige oder gar beschauliche Zeiten.

Wer heute die schöne Norderneyer Windmühle erlebt, ganz direkt aus allernächster Nähe, sucht und findet Erholung, Entspannung, und natürlich ein ganz besonderes Stück Insel-Geschichte.

Schon die Lage der Mühle und des alten Müllerhauses erzählt ihreGeschichte, beide Gebäude ganz augenscheinlich etwas erhöht gelegen, das ist kein Zufall. Die Windmühle wurde samt Wohnhaus auf einer flachen Düne gebaut, zum einen, um einer möglichen Überflutung vom Wattenmeer her aus dem Weg zu gehen, denn anfangs lag die Mühle so direkt am Wattenmeer, dass die Gebäude häufig mit Sandsäcken zu schützen waren. Aber auch für eine optimale Windausnutzung war die exponierte Stellung der Mühle wichtig.

Zwar ist der untere Teil der Mühle wie berichtet seit Anfang der 70er-Jahre ein Café beziehungsweise Café/Restaurant, jedoch erzählt auch dieser Teil von "Selden Rüst" noch Geschichte.

Im eigentlichen Mühlenraum, im hinteren Teil kurz vor dem Betreten der Kornkammer führt linkerhand eine steile Treppe nach oben, hinauf in die erste Etage der Mühle. Diese oberen Räume sind nur sehr selten für Besucher zu betreten - aber genau hier, an dieser unsicheren Stiege (nur ein Handseil dient als Hilfe) wird deutlich, wie anstrengend und unsicher jede Bewegung gewesen ist. Ich kann mich noch aus meiner Kinderzeit erinnern, dort unten an der Stiege gestanden zu haben, um meinem Vater meine erledigten Hausaufgaben für die Schule vorzuzeigen. Er kam dann - mehlüberstäubt - herunter, um meine Arbeit zu begutachten.

Die heutige "Kornkammer" war jahrzehntelang der "Laden". Ein Tresen und mehrere Kisten mit Körnerfutter verschiedener Art waren hier zu finden. Von hier aus führte eine Tür in das alte Müllerhaus, in ein (im Familiensprachgebrauch) "Kontor", ein Büro. Hier stand ein großer Schreibtisch mit einem alten, schwarzen Telefon. In diesem Kontor wurden alle geschäftlichen Dinge bearbeitet, auch Besucher, also Kunden der Mühle, wurden hier empfangen, was wir als Kinder immer dann als besonders spannend empfanden, wenn diese Geschäftspartner etwas für uns Kinder mitbrachten, Bonbons etwa - in den 50er-Jahren noch etwas Besonderes, nicht Alltägliches. Es gibt auch heute noch viele Norderneyer, die sich an diese Zeit erinnern können, in der sie im Laden der Mühle Tierfutter gekauft haben.

Der heutige Eingangsbereich beziehungsweise der erste Restaurant-Raum mit den blauen Fliesen, gestaltet von dem bekannten Künstler Ole West, der sie eigens für den langjährigen Mühlenpächter Jochen Vollmer angefertigt hatte, war zu Zeiten des Mühlenbetriebes das Lager. Bei uns in der Familie wurde es Packhaus genannt. Fast bis zur Decke hoch stapelten sich hier Säcke mit Getreide, auf denen wir Kinder - unerlaubterweise - kletterten und spielten.

Nach der Stilllegung des Mühlenbetriebes war hier für eine kurze Zeit der Handwerksbetrieb des Norderneyer Tischlermeisters Alfred Janssen untergebracht.

Die Arbeit in der Mühle selber war schwerste, harte Arbeit. Einsatz auch bei Nacht, wenn die Mühle - anfangs noch ohne die "Windrose" - in den Wind gestellt werden musste, damit ihr keine Gefahr durch Sturm drohte.

Das Wetter ist an der Küste und noch mehr auf den Inseln unberechenbar, zumal es im 19. Jahrhundert keine Wetterdienste gab, die schon Tage vorher für heranziehende Stürme oder sogar Orkane Vorwarnungen geben konnten. Dieses "in den Wind stellen" geschah bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges durch den an der Rückseite der Mühlenkappe angebrachten "Steert", ein auf die Spitze gestelltes schweres Balkenkreuz, an dessen unterem Ende sich eine Drehwinde befindet. Die später angebaute Windrose sorgte für eine deutliche Erleichterung, dazu aber im Folgenden mehr.

Wie sehr sich nicht nur die Umgebung der Windmühle Selden Rüst entwickelt hat - gut zu beobachten auch auf den Stadtplänen, sondern auch die Funktion der Mühle in ihren 154 Jahren, das ist eine faszinierende Geschichte, die ich anhand von Dokumenten, Zeitungsberichten und Erinnerungen meiner Familie und schließlich zu einem Teil auch eigenen Erlebnissen darstellen möchte. Genauso wie meine Mutter und meine Tante habe ich meine Kindheit und Jugend hier "im Schatten der Mühle" verbracht, mit knapp 18 Jahren die Insel verlassen, um ziemlich genau 35 Jahre später einen neuen Lebensabschnitt hier zu beginnen.

Motivumschlag

Es ist außergewöhnlich, hier zu leben und immer noch ist die Mühle außergewöhnlich, und einfach wunderschön. Eine bezaubernde Beschreibung der Mühle ist das folgende Zitat: "Einen göttlichen Schatz hütet die Insel in der feinen, kleinen Windmühle, wie sie keine andere ostfriesische Insel trägt. Wenn man sie vom grünen Schatten der Schanze in einem sonnigen Durchblick vor sich hin mahlen und werken sieht, dann genießt man einen Anblick von hoher Schönheit. Der Krieg und die Folgezeit haben unter den ostfriesischen Windmühlen verheerend gehaust; die Norderneyer Mühlemuss vor dem Untergang bewahrt werden, wenn nicht anders, dann als Denkmal." (1923, Peter Zymann in einer Norderneyer Beschreibung. Veröffentlicht im April 2006 im Rahmen der 31. Ausstellung der Norderneyer Briefmarkenfreunde e. V. zur Vorstellung des Motivumschlags mit dem Bild der Norderneyer Mühle "Selden Rüst", Günther Kaput)

Postkarte

Durch all ihre Jahre war und ist die Norderneyer Mühle ein beliebtes Postkartenmotiv. Dieses Exemplar zeigt auch die Innenräume der Teestube. Auf dem Bild oben rechts geht rechts vom Tresen die steile Stiege nach oben in die erste Etage der Mühle.

Okko Fleetjer

Okko Fleetjer, Müllermeister sen., um 1960 vor seiner geliebten "Selden Rüst".

Elisabeth Fleetjer

Iris Pugatschovs Tante, Elisabeth Fleetjer, mit Kinderwagen vor dem Ladeneingang um 1950.


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