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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Teil 15

Norderney Kurier (Serie erschien vom 03.06.2016 - 24.02.2017)

Die Insel Norderney wird zum Schauplatz deutsch-internationaler Geschichte mit großer Politik

In diesen Jahren waren sich die beiden Brüder Okko und Peter, wie eigentlich bis zum Ende ihres Lebens, sehr nah. Zusammen arbeiteten sie in der Norderneyer Windmühle - und nach den Erzählungen meiner Tante Elisabeth Fleetjer waren sie in ihrer eher knapp bemessenen Freizeit leidenschaftliche Jäger. Oft gingen sie abends, nach einem vollen Arbeitstag, in die östlichen Dünen zur Kaninchenjagd - was immerhin ein ziemlicher Fußmarsch war und nicht selten bis zum nächsten Morgen dauerte. Hier hatten sie dann wieder pünktlich zur Arbeit in der Mühle zu erscheinen, das war selbstverständlich. Aber vermutlich stellte das erlegte Wild auch eine sehr willkommene Ergänzung und Erweiterung der Familienvorräte dar.

Wie wahrscheinlich nahe zu alle Haushalte der Insel, war die Familie Fleetjer nahezu ausschließlich Selbstversorger: Es gab einen Obst- und Gemüsegarten, und Tierhaltung - konserviert wurden diese selbst erzeugten Lebensmittel auf die herkömmliche Art, wie das Einmachen von Obst und Gemüse oder Räuchern von Fleisch.

Um die Produkte des Gartens einkochen zu können, benötigt man eine grundlegende Ausstattung. Dazu gehören in erster Linie Einkochgläser, die typischen Weck-Gläser, die seit langer Zeit von der Firma Weck hergestellt werden. Das Patent auf diese speziellen Gläser entwickelte in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Gelsenkirchener Chemiker Rudolf Rempel. Nach seinem Tod kaufte der Glasproduzent Carl Weck dieses Patent auf - daher der Begriff: "Einwecken".

In diesen ersten Jahren auf Norderney hatte die Familie sehr oft Besuch von Verwandten vom Festland, unter anderen von Hinriette und Aafkea Boerma (Kinder der ältesten Tochter des Ehepaars Fleetjer), die gern und oft die Großeltern auf Norderney besuchten. Die beiden Mädchen haben in ihren Familien oft erzählt, dass der deutsche Kaiser Wilhelm II., wenn er auf Norderney weilte, gern die Mühle besuchte. Dies war eine sehr große Ehre für die Familie Fleetjer/Friesenborg, die - wie viele andere Bürger - eher konservativ und kaisertreu war.

Auch zahlende Sommergäste wurden in dem Müllerhaus beherbergt, sicher ein nicht zu verachtendes Einkommen für die Familie. Es wurde ein Gästebuch angelegt, die ersten Eintragungen datieren vom August 1899. Die Hausgäste kamen zunächst überwiegend aus dem ostfriesischen Raum: Weener, Victorbur und Norden, in späteren Jahren aber auch aus Wedel/Holstein, Hannover, Berlin, Frankfurt und anderen Städten des Deutschen Reichs. Aus dem Jahr 1907 existiert eine Postkarte, geschrieben von zwei Frankfurter Damen, die offenbar im Jahr zuvor als Gäste im Hause Fleetjer/Friesenborg gewohnt hatten und ein paar Fotos hoch zu Pferd zusammen mit dem Senior Müllermeister E.A. Fleetjer hatten machen lassen. Im Hintergrund ist die Norderneyer Windmühle aus südwestlicher Richtung zu sehen.

Zum Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts kam eine Veränderung auf die Familie Fleetjer zu: Es wurde die Mühle in Münkeboe (heute Südbrookmerland) erworben. Der Sohn Peter Fleetjer zog fort. Die Eltern Aafke und Eilert Abben Fleetjer verließen ebenfalls die Insel, zogen zunächst zu ihrem jüngsten Sohn Peter nach Münkeboe, später lebten sie in Norden bei ihrer Tochter Anna. Die drei "Kinder" der Familie, 1896 mit auf die Insel gekommen, waren eben keine Kinder mehr - es wurde Zeit, dass jeder eine eigene Familie gründen konnte. Dafür aber war sowohl das Müller-Wohnhaus zu klein und realistisch gesehen war es wohl klar, eine Mühle würde nicht mehrere Familien ernähren können. Die Entscheidung, wer welche Mühle haben wollte, war den beiden Brüdern selber überlassen worden - mein Großvater Okko Fleetjer entschied sich klar für Norderney. Sowohl er als auch seine spätere Ehefrau Sophie Fleetjer liebten ihr Zuhause und das Leben auf der Insel sehr, obwohl ja beide eigentlich "Fremde" - also keine auf Norderney Geborene - waren.

Im Kapitel "Bülow auf Norderney" seines Werkes "Berühmte Gäste Norderneys" schreibt Michael Fleischer: "Die Zeit von 1900 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 kann man auf Norderney mit Recht die "Ära Bülow" nennen, denn Reichskanzler Bernhard von Bülow (1849 bis 1929) besuchte in jedem Jahr die Insel und setzte auch nach seiner Entlassung 1909 die Gewohnheit fort, in dem eleganten Nordseebad seinen Sommerurlaub zu verbringen. Norderney gewann durch ihn den Charakter einer sommerlichen Regierungshauptstadt im kleinen Maßstab und wurde zur Bühne für die große Politik."

Besonders hervorzuheben in diesem Zusammenhang ist wohl die Zeit der Gespräche mit der Delegation des Russischen Zarenreichs unter Führung des Vorsitzenden des Ministerrats in Russland, Graf Sergius J. Witte.

Die russische Delegation war im Großen Logierhaus untergebracht worden und - so schreibt M. Fleischer: "Nach langwierigen Beratungen kam man zu einer Übereinkunft, die für die Russen Erleichterung ihrer vorwiegend agrarischen Exporte nach Deutschland brachte. Die Deutschen bekamen im Gegenzug eine Absicherung durch einen Schutzzoll, der einen Ruin der deutschen Landwirtschaft durch die Einfuhren aus Russland verhinderte. Wichtiger für Deutschland war die Förderung industrieller Exporte nach Russland."

Gern bezog Bülowdie Villa Fresena am Weststrand (heute trägt das Haus den Namen "Belvedere"), ein immer noch schönes und stolzes Gebäude am Norderneyer Weststrand.

Villa Fresena (Heute Haus Belvedere)

Villa Fresena (Heute Haus Belvedere), Sommerresidenz des Reichskanzlers Bernhard von Bülow.

Es wird in der Literatur gern und viel über die Rolle des Deutschen Kaiserreichs diskutiert, dabei immer auch darüber, worauf Bernhard von Bülow mit der Aussage "Wir wollen niemanden in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne" zielte.

Die Familie Fleetjer/Friesenborg - etwa 1904.

Die Familie Fleetjer/Friesenborg - etwa 1904.

War es, wie auch Michael Fleischer fragt, als "waffenklirrende Herausforderung" der großen Kolonialmächte England, Frankreich, der USA und Japans zu verstehen? Letztlich wird dies wohl niemals zu beantworten sein - Michael Fleischer vertritt in seinem Buch allerdings den Standpunkt, dass die Politik des Bernhard von Bülow "eher vorsichtig taktierend war, im Gegensatz zu dem oft impulsiven Kaiser, der seine Worte nicht abzuwägen verstand und daher manchen Skandal verursachte, den Bülow nur mit großer Mühe wieder glätten konnte".

Norderney jedenfalls hat dem Reichskanzler Bülow mit der Benennung der schönen Bülow-Allee ein Denkmal gesetzt.

Postkarte Damen mit Pferd Postkarte Damen mit Pferd

Postkarte Damen mit Pferd, Vorder- und Rückseite. Sommergäste der Müllerfamilie.


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