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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Teil 23

Norderney Kurier (Serie erschien vom 03.06.2016 - 24.02.2017)

Verdunklungsmaßnahmen schützen Wohnhäuser und Inselmühle vor gezielter Bombardierung

"Lieber Gott, - warum können deine Kinder in einer so reichen und schönen Welt nichts Besseres tun, als Erze aus dem Boden zu graben und sie in ungeheuerliche, groteske Maschinen zu verarbeiten, um einander in die Luft zu sprengen. Vielleicht weil - wenn meine Feinde tödliche Maschinen herstellen, ich noch bessere konstruieren muß ... Möglicherweise wird dieser Teufelskreis diesmal ein Ende finden - oder auch nicht." (Aus der Verfilmung der Romantrilogie "Der Feuersturm" von Herman Wouk)

Am 1. September 1939 um 4.45 Uhr eröffnete das Linienschiff "Schleswig-Holstein" das Feuer auf polnische Befestigungen auf der Westerplatte vor der Freien Stadt Danzig. Etwa zur selben Zeit brachten deutsche Bomber Hunderten schlafenden Einwohnern der zentralpolnischen Kleinstadt Wielun den Tod. Sie sind die ersten Opfer eines Krieges, der in seiner Ungeheuerlichkeit alle bisherigen Kriege in den Schatten stellt. Frankreich und Großbritannien forderten den Rückzug der deutschen Soldaten aus Polen innerhalb von zwei Tagen. Hitler ließ das Ultimatum verstreichen. Der deutsche "Blitzkrieg" zwang Polen innerhalb von vier Wochen in die Knie. Dies war der Beginn eines weitaus größeren, barbarischen Krieges, der bald weite Teile der Welt ergriff und der unfassbares Leid über die Menschen bringen sollte. Knapp 60 Millionen Menschen verloren während des sechs Jahre dauernden Krieges ihr Leben.

Der 1. September 1939 auf Norderney - es war wie eine Wiederholung der Geschehnisse bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs: binnen 24 Stunden hatten alle Badegäste die Insel zu verlassen, Norderney wurde ab dem Tag für alle Zivilpersonen gesperrt.

Appell in der Kaserne an der Mühle

Appell in der Kaserne an der Mühle. Nach 1932 entstanden auf der Insel vor allem Militär- und Bunkerbauten.

Die Insel war ja bereits zu einer Seefestung hochgerüstet, in seinem Buch "Norderney 2" beschreibt Jann Saathoff die aktuelle Situation zu Anfang des Zweiten Weltkriegs auf der Insel: "Zur Durchführung der vielen geplanten Baumaßnahmen und zur Sicherung der Kriegsmaschinerie wurde eine spezielle Organisation gegründet, nämlich die Organisation Todt (OT). Es war eine nach militärischem Vorbild organisierte Bautruppe, an deren Spitze Diplom-Ingenieur Fritz Todt stand. Nach 1931/32 entstanden vor allem Militär- und Bunkerbauten zur Aufrüstung Norderneys zu einer Seefestung für das Militär". Auch die noch vorhandenen Bauwerke und Gerätschaften aus dem Ersten Weltkrieg wurden integriert; weiter schreibt Jann Saathoff: "Die Marinebahn verband die Stellungen. Scheinwerfer suchten nachts den Himmel nach Feindflugzeugen ab. Ein riesiges Horchgerät stand nordöstlich der Meierei, und vom Dünensender gingen die Funknachrichten in die militärischen Zentralen. Auf dem Fliegerhorst standen noch die Kasernenbauten aus dem Ersten Weltkrieg zur Verfügung. Weiter wurden Unterkunfts- Baracken südöstlich vom Kap und am Bahnhof Stelldichein, die sogenannten UK-Lager, gebaut. Aber auch ganze Straßenzüge mit stadtbildprägenden Wohngebäuden wurden erstellt - an der Tannen-, Mühlen-, Beneke- und Richthofenstraße".

Wieder einmal kommt der Tourismus zum Erliegen, niemand wusste es 1939 - aber es würde viele Jahre dauern, bis man auch nur annähernd wieder von einem "gut funktionierenden Fremdenverkehr"werde sprechen können.

Die Mühle und das Haus der Müllerfamilie standen quasi mittendrin im Kriegsgeschehen - im Nachhinein kann man es wohl nahezu als ein Wunder betrachten, dass die Mühle diese Jahre des Zweiten Weltkriegs vollkommen unbeschadet überstanden hat: Direkt angrenzend die "Luftwaffen-Kaserne an der Mühle"- bestehend aus 24 Bauwerken. Dazu gehörten das Stabsgebäude, die Wache, eine Turnhalle, ein Wirtschaftsgebäude, eine Heizanlage, 15 Wohngebäude sowie ein Lazarett mit 76 Betten und zwei Operationssälen. Auf der Turnhalle montierte man eine zwei Zentimeter Flak, die zum Flakschutz des Seeliegerhorstes gehörte (Quelle: "Die Festung Norderney im Zweiten Weltkrieg", J. Friese und B. Röben).

An der Kreuzung Marienstraße/Mühlenstraße befand sich eines der sogenannten "Widerstandsnester" - die Betonfundamente sind heute nochsichtbar. Auch die Betonquadrate der südlichen Mühlenstraße und sowohl der Zugang zum heutigen Wohnviertel "An der Mühle" als auch dessen Straßenrunde entlang der Häuser erinnern noch an diese Jahre des Zweiten Weltkriegs.

Weiter schreiben Jürgen Friese und Bernd Röben: "Norderney wurde durch seine direkte Lage in der Einflugschneise der britischen und amerikanischen Bomber-Verbände ein wichtiger Flugabwehrstützpunkt in der Deutschen Bucht. Die britischen Piloten bezeichneten die Ostfriesischen Inseln auch als 'Die Igel' (The Hedgehogs), und versuchten, so gut es ging, der Flak auszuweichen. 66 durch die Insel-Flak abgeschossene Flugzeuge machten die Vorsicht der Piloten nachvollziehbar".

Schon im Dezember 1939 gab es die ersten Bombenangriffe auf Norderney - in den Jahren 1940 und 1941 waren es zahlreiche Bombenangriffe, nachzulesen in der ausführlichen Dokumentation von Bernd Röben und Jürgen Friese.

Sehr wichtig war für die Bürger der Rundfunk geworden, eine Errungenschaft der 20er-Jahre - in nahezu jedem Haushalt gab es jetzt einen "Volksempfänger". In den "Kindertagen" des Rundfunks wurde aus einer Dachkammer des Vox-Hauses in Berlin, Potsdamer Straße 4, gesendet. Das eigentliche Aufnahmestudio lag im dritten Stock. Hier war ein Zimmer durch Wolldecken im Verhältnis 2:1 geteilt worden. Im größeren Teil stand auf einem mit zwei Adressbüchern erhöhten Stuhl das Mikrofon. Zur Abdämpfung des Schalles waren die Wände mit violettem Kreppapier behängt. Im kleineren Teil waren die notwendigen technischen Einrichtungen untergebracht. Das war 1923 und nach dem einstündigen Programm erklang die Absage: "Wir wünschen Ihnen eine gute Nacht! Vergessen Sie bitte nicht, die Antenne zu erden!"

1938 gab es in Deutschland über neun Millionen Rundfunkteilnehmer - womit in rund 60 Prozent aller deutschen Haushalte ein Radio stand. Der Rundfunk hatte sich zu einem Medium entwickelt, welches gerade in den Kriegszeiten immer wichtiger wurde.

Aus vielen Gesprächen mit Menschen, die diese Zeit bewusst erlebt haben, weiß ich, wie sehr sich diese nicht mehr löschbaren Erinnerungen in ihr Bewusstsein eingegraben haben, an den Klang der "Alarmsirenen" und dem auch heute noch unheimlich anzuhörenden Rundfunk-Warnungen, in denen bekannt gegeben wurde, wo sich anfliegende Bomberverbände befanden.

Aus den Erzählungen meiner Familie weiß ich, dass sie im Falle eines Luftalarms in den Luftschutzraum der benachbarten Kaserne - heute stehen dort die Reihenhäuser des "Mühlenecks" - zu gehen hatten. Es soll einmal geschehen sein, dass eine Nachbarsfamilie in der Eile ihr Baby auf einem Kissen deponiert auf dem Küchentisch vergessen hatten. Es gab auch in der direkten Mühlennähe Bombenabwürfe - und zwar am 22. März 1941 am Sportplatz. Hierbei gingen alle Fensterscheiben des Müllerhauses zu Bruch. Natürlich nur ein sehr geringer Schaden, wenn man bedenkt, was für ein Ziel die Mühle insbesondere in hellen Mondnächten gewesen sein muss. Ansonsten herrschte natürlich eine Anordnung zur Verdunklung - eine durch Verordnungen vom 23. Mai 1939 und 22. Oktober 1940 geregelte Maßnahme des Luftschutzes bei Nacht. Mithilfe der Verdunklung sollte feindlichen Fliegern die Orientierung und das Auffinden der Ziele erschwert werden. Daher bestand vor allen Dingen bei Fliegeralarm eine Verdunklungspflicht zur Dämpfung von Lichtquellen und "Lichtaustrittsöffnungen". Bis auf 500 Meter durfte kein Schimmer mehr wahrzunehmen sein. Diese Verordnung galt auch für Kraftfahrzeuge und Fahrradscheinwerfer, die vom 1. Oktober 1940 an mit Schlitzblenden ausgestattet sein mussten.

Fliegerhorstkompanie

Am 20. April 1936, vormittags, marschierten die Fliegerhorstkompanien durch das Tor der neuen Wache in der Kaserne an der Mühle.

Südlich der Mühle

Südlich der Mühle: die vor dem Zweiten Weltkrieg angelegte Straße am ehemaligen Kasernentor; die Führungsschienen der Torflügel sind noch gut sichtbar.


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